Kommentar zur KNV-Übernahme

Wahl hat ideal geliefert

26. Juni 2019
Torsten Casimir
Eine gute Nachricht für die Buchbranche: Die KNV Gruppe wird mit allen Standorten und Geschäftsbereichen von dem Berliner Familienunternehmen Zeitfracht übernommen. Damit fallen Deutschlands größter Buchlogistiker und seine rund 1600 Mitarbeiter in die Hände eines zuletzt stark wachsenden Logistik-Profis, der nicht Kasse machen, sondern Geschäft betreiben will.

Sämtliche wesentlichen Ziele, die Insolvenzverwalter Tobias Wahl mit der Investorensuche verbunden hatte, wurden erreicht: KNV am Stück verkauft und nicht in Scheiben; die Standorte Erfurt, Stuttgart und Leipzig mit allen Arbeitsplätzen erhalten; das für die Branche systemrelevante Unternehmen zukunftsfähig aufgestellt; einen Erwerber gefunden, der sich gleich mal uneingeschränkt zum Kulturgut Buch und seiner herausgehobenen Rolle in der Gesellschaft bekennt und deshalb das Geschäft von KNV weiterentwickeln wird.

Wahl und sein Team haben geliefert. Exzellent, pünktlich – und wäre es nach ihnen gegangen, auch diskret. Man konnte freilich nicht verhindern, dass Nachrichten durchsickerten und die Spekulationen über das Interesse und die Favoritenrolle von Zeitfracht durch einen Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" Ende Mai in der Welt waren. Aber das hat dem Bieterverfahren am Ende nicht geschadet.

Ein Buzzword, welches bei derlei M&A-Gelegenheiten so sicher wie das Amen in der Kirche auftaucht, lässt uns auch heute nicht lang warten: Synergien. Es ist in diesem Fall allerdings bestmöglich begründet. KNV und Zeitfracht passen komplementär zueinander. Seit Jahren gehört es zu den strategischen Ambitionen der Berliner Unternehmerfamilie Simon-Schröter, „in die Luft zu gehen“. Terrestrisch wurde es für ihr logistisches Wachstum immer enger. Also hat man investiert und zugekauft: zuletzt die Leisure Cargo von Air Berlin und die Luftfahrtgesellschaft Walter von der Lufthansa.

Jetzt, mit dem noch lange nicht ausgenutzten Potenzial eines der größten und modernsten europäischen Logistikzentren in Erfurt, wird Zeitfracht auch am Boden seine Position ausbauen. Und ein bekannter Satz aus der Vergangenheit erhält eine konkrete Zukunftsperspektive: „Wir können alles ausliefern, was nicht zappelt und auf eine Palette passt“, hatte Oliver Voerster, der vormalige KNV-Gesellschafter, dem Börsenblatt vor elf Jahren gesagt. Spät wird nun ein Schuh draus. Apropos Voerster: Er ist, wie viele Brancheninsider bereits wissen, schon vor Wochen aus dem Unternehmen ausgeschieden; gemeldet wurde das seinerzeit nicht, erst eben als Nachtrag zum Protokoll, by the way. Manchmal sind auch Formsachen Nachrichten.

Verlage und Buchhandlungen können zunächst aufatmen. Leistungseinbußen in der Branchenlogistik müssen sie vorläufig nicht befürchten. Der Wettbewerb mit dem anderen großen Barsortiment Libri bleibt erhalten. Die Erfurter Verlagsauslieferung mit ihren immensen Volumina ist gesichert. Die Gläubigerausschüsse haben bereits ihr „Go“ gegeben. Dass die beteiligten Banken und Kartellbehörden noch Schwierigkeiten machen, scheint bei dieser Ideallösung unwahrscheinlich. Was von dem Zeitfracht-Bekenntnis zum Kulturgut Buch zu halten ist, wird sich bald zeigen. Die Protagonisten, Jasmin Schröter und Wolfram Simon-Schröter sowie Finanzchef Frank Schulze sind in der Branche ein noch unbeschriebenes Blatt. Die Rhetorik der Berliner an Tag 1 jedenfalls klingt schon mal sehr sympathisch.