Tagebuch zu Logistikproblemen bei KNV

Der Umzug oder: Eigentlich wollen wir doch nur Bücher verkaufen

8. Dezember 2014
Redaktion Börsenblatt
KNV-Chef Oliver Voerster hat vergangene Woche schwerwiegende Probleme bei der Logistik am neuen Standort Erfurt eingeräumt. Was das für Sortimenter in der Praxis bedeutet, haben Gertrud und Joachim Steiger von der Literaturhandlung Paperback in Bad König in ihrem "Tagebuch aus dem Buchhandel für den Dezember 2014" aufgezeichnet.
"Es klappt ja eigentlich schon seit mehreren Wochen nichts mehr. Keinen Morgen kommt mehr die Ware pünktlich oder vollständig, oder gar pünktlich und vollständig an. Schon wieder fehlt das Paket mit den beiden Büchern  für den Oberstudienrat a.D. – das gibt wieder eine Megazigarre. Seitdem unser Barsortiment KNV am Umziehen ist – in diese Prachtlocation in die nicht mehr ganz so neuen Bundesländer, Abermillionen teuer, aber unbedingt notwendig, ja, wir glauben Ihnen Herr Voerster! – klappt praktisch gar nichts mehr. Das ist nach bald 30 Jahren, in denen wir mit den Stuttgartern, dann Kölnern zusammenarbeiten, und es bis auf ein paar seltene Ausnahmen immer reibungslos lief, kaum zu glauben. Aber lesen Sie selbst: 

1. Dezember: Wunderbar, die Plastikwannen stehen da wo sie hingehören. Schnell ein Blick auf die Plastikverschlußbänder. Oh, Mist, nur schwarze, also Kölner Ware, die Erfurter fehlt schon wieder. Das hätten wir zu Beginn unserer buchhändlerischen Karriere auch kaum angenommen, dass wir irgendwann einmal zuerst nach den Plastikbändern einer Verpackung linsen und dann erst nach den Büchern. Obwohl heutzutage, und was sich der KNV in letzter Zeit so leistet, ist man ja froh, wenn man überhaupt noch Bücher in den Wannen findet und keine Fischkonserven mit der ungenießbaren roten Soße.

2. Dezember: "Na, verkauft ihr immer noch Bücher oder habt ihr Euch schon umorientiert?“ Witzig, wirklich witzig. Ein alter Stammkunde (auch er in den letzten Wochen ein zweifaches Opfer der KNV-Lieferunzuverlässigkeit) steckt kurz die Nase durch die Eingangstür und muntert uns mit seinem Spruch auf. Wie gesagt, sehr witzig, aber der Bursche tritt ja auch mit einem eigenen Kabarettprogramm in den Gemeindehäusern der Umgegend auf. Kein Wunder, dass da nie mehr als 20 Leute kommen. Ware heute wieder unvollständig: die halbe Lieferung von gestern aus Erfurt ist da, Köln (Sie erinnern sich, die mit den schwarzen Bändern) hat komplett geliefert. Die große Erfurter Lieferung für heute fehlt aber wieder komplett, dafür sind zwei Extrawannen mit weißen Bändern dabei (genau: Erfurt!!) mit Nachlieferungen. In der einen Wanne liegt ein Taschenbuch (für die, die es nicht glauben, hier noch mal in Zahlen: 1 Taschenbuch) und in der anderen Wanne: nix! Oder halt: da hat doch so ein Spezialist ein (in Zahlen: 1) Grupello Quiz unter mehreren Lagen Wellpapier versteckt. Leute, es geht auf Weihnachten zu, nicht auf Ostern. Apropos Weihnachten: uns wird klamm und bange, wenn wir an das Fest denken. Je näher der 24. rückt, je unberechenbarer werden ja die Kunden. Die dann dieses Jahr gepaart werden mit einem unberechenbaren KNV: Wir glauben, wir gehen schon ein paar Jahre früher in Rente.

3. Dezember: Heute Nacht hatten wir einen Traum, oder besser, einen Alptraum: Wir haben mehrere Stunden in Erfurt das Lager aufgeräumt, Scanner entstaubt und die Förderbänder geschrubbt – dann kam Herr Voerster, einen Coffee-to-go in der Hand  und offenbarte uns, das die ganze Aktion für die Katz war: unsere Wanne wäre leider (und hierfür entschuldige er sich ausdrücklich), trotz des ganzen Aufwandes, doch falsch etikettiert worden, und die Plastikschüssel wäre auf dem Weg nach Hamburg. Fix und fertig durch die Nachtarbeit öffnen wir morgens um acht unsere Ladentür und können es kaum glauben. Bis an die Decke stapeln sich die blauen Tröge. Ja, die Bestellungen sind da! Und nicht nur die – nein auch die vermissten der vergangenen Tage und das auch noch doppelt und dreifach. Ein netter Mensch in der KNV-Kundenbetreuung hat alle unsere Reklamationen gewissenhaft abgearbeitet und alles nochmals und nochmals auf den Bestellweg gegeben…..nun müssen wir erst mal sortieren: denn mit dreimal "Gesänge aus Taizé" oder "Windhundrennen durch Alaska" können wir nun gar nichts anfangen. Das heißt nun: zwei Aushilfen abstellen, die stante pede die Wannen wieder mit den Doppeltlieferungen befüllen, damit sie wieder retour gehen können. Auf der Sammelrechnung werden diese aber wohl wieder berechnet – mal schauen, wie lange man dieses Mal für die Gutschriften braucht.

4. und 5. Dezember: Kurz vor Nikolausi. Es fehlt nur ein kleines Paket mit dem HSV-Kalender. Doch gerade den wollte der Dreizehnjährige heuer verschenken – das wird Tränen geben. Wir haben zwar noch einen BVB-Jahresplaner am Lager, aber ob der den Jungen besänftigen wird? Beim genaueren Hinsehen fehlt auch noch der Fischer-Weltalmanach – ohne Hinweis auf Meldenummer, und obwohl er in unserem Bestellbuch mit "Lieferung angekündigt" gekennzeichnet ist. Der ist wohl wieder im Erfurter Bermuda-Dreieck verschwunden. Nicht ganz so schlimm: Er war für einen Erstsemester-Studiosus, der die Lieferung erwarten kann: "Macht nichts, komme am Montag wieder, habe nun ja erst mal ein stressfreies Wochenende vor mir!

6.Dezember: Hurra, Nikolaustag. Alle Ware da und dieses Jahr liegen sogar, wohl als Nervenfutter für den Buchhändler, wieder die beliebten Mini-Rittersports in den Wannen. Wenn´s nur so bliebe – kaum auszudenken! Doch es sind ja noch ein paar Tage bis zum Fest – die Skepsis bleibt: Die legen uns bestimmt bis dahin noch ein paar Eier. So isses! Alles wieder zurück auf Anfang. Kann man eine Belobigung wieder stornieren? Nachdem wir alles ausgehakt haben, stellen wir fest: Es fehlen wieder zehn Bestellungen. Sind einfach nicht auf den Lieferscheinen, sind auch nicht irgendwo extra gepackt, schlummern wohl noch in den Erfurter-Megakomplex-Regalen. Mist! Bis 16 Uhr müssen wir uns also wieder von Ausrede zur nächsten Entschuldigung hangeln – Man, das nervt! Mal sehen was die nächste Woche bringt ...