Pauschalabgaben sollen nicht mit EU-Recht vereinbar sein

EuGH-Urteil: Trübe Aussichten für VG-Wort?

12. November 2015
Redaktion Börsenblatt
Der Europäische Gerichtshof hat heute ein Urteil im Streit zwischen Druckerhersteller Hewlett-Packard und Reprobel gefällt, das für die europäischen Verwertungsgesellschaften grundlegende Bedeutung hat. Update: Der Börsenverein kritisiert das Urteil.

Im Verfahren des Druckerherstellers Hewlett Packard Belgium gegen die belgische Verwertungsgesellschaft Reprobel, die Vergütungen für Reprografie und Bibliothekstantiemen einnimmt und verteilt, ging es vor dem Europäischen Gerichtshof vordergründig um die Gerätevergütung in Belgien. Behandelt wurde aber auch die Frage der Rechtmäßigkeit von Verlegerbeteiligungen an gesetzlichen Vergütungsansprüchen, wie sie die EU-Mitgliedsstaaten regeln. Der EU-Gerichtshof folgte weitestgehend dem Antrag des Generalanwalts Pedro Cruz Villalón.

Einer ersten Einschätzung des am 12. November bekanntgegebenen Urteils zufolge könnten nicht nur Pauschalabgaben unzulässig sein (die je nach Gerätetyp bei nichtkommerzieller Nutzung fällig werden, etwa bei der Anschaffung von Scannern, Kopierern und Mulitfunktionsgeräten durch Privatleute - diese Gebühren sind je nach Leistung des Geräts gestaffelt). Zur Begründung wird der "gerechte Ausgleich" herangezogen, wonach sich die Höhe der Entschädigung am entstandenen Schaden orientieren muss, der den Rechteinhabern dadurch entsteht, dass ihre Werke durch den Vertrieb etwa von Kopiergeräten nicht mehr gekauft werden.

Das Urteil ist ein nein-aber-ja-wenn-Urteil

Die Verlage dürfen laut EuGH-Urteil Gelder von Verwertungsgesellschaften erhalten, wenn dies nicht zu Lasten der Urheber geht, denn in der Regel halten nicht die Verlage die Urheberrechte, sondern nutzen die Rechte der Autoren. Diese sollen durch die Abgabe geschützt werden. Gleichwohl räumt der EuGH den Mitgliedstaaten (in diesem Fall Belgien) das Recht ein, Verlage an den Gebühren zu beteiligen, aber eben nur, wenn dies nicht auf Kosten der Urheber geschieht, diese also etwa indirekt wieder beteiligt werden.

Warum das Urteil für die VG Wort brisant ist

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Im Dezember hatte der Bundesgerichtshof das Revisionsverfahren gegen eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München zum Verteilungsplan der VG Wort ausgesetzt, um die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Verfahren Hewlett-Packard Belgium gegen Reprobel abzuwarten. Im Streit vor dem BGH zwischen der VG-Wort und dem Wissenschaftsautor Martin Vogel argumentierte der Autor, dass er durch die Verlagsabgabe der Verwertungsgesellschaft geschädigt werde (siehe Archiv), die Gelder stünden alleine den Autoren zu. Wenn die gemeinsame Rechtewahrnehmung von Autoren und Verlagen innerhalb einer Verwertungsgesellschaft grundlegend in Frage gestellt werde, würde dies zu praktisch kaum lösbaren Schwierigkeiten führen, hatte die VG Wort bereits 2013 befürchtet, zuletzt hatte sie ihre Ausschüttungen nur noch unter einem Rückforderungsvorbehalt vorgenommen.

Problem: Der Verteilungsplan der VG-Wort sieht feste Quoten vor (z.B. 50 Przent bei wissenschaftlichen Werken), genau diese sollen aber EuGH-Urteil nicht mit dem Rahmen der EU-Urheberrechtslinie von 2001 vereinbar sein.

In einer ersten Mitteilung zum EuGH-Urteil schreibt die VG Wort, man werde die Entscheidung "gründlich analysieren und die sich aus dem Urteil ergebenden rechtlichen Konsequenzen prüfen". Die Gremien der VG Wort werden im Rahmen ihrer turnußgemäßen Sitzungen Ende November über das weitere Vorgehen beraten, so die Medieninformation.

Hier geht es zum EuGH-Urteil.

Update 12.11. 2015 (17:06 Uhr)_

Börsenverein: Reprobel-Urteil gefährdet das Miteinander von Autoren und Verlagen in VG Wort

Als höchst problematisch wertet der Börsenverein des Deutschen Buchhandels die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg, dass Verlage an den Ausschüttungen nicht beteiligt werden können. Die Begründung des Gerichts, die Verlage seien formal keine Rechteinhaber im Sinne der europäischen Urheberrechtsrichtlinie InfoSoc (2001/29/EG). leuchtet dem Verband nicht ein, schließlich sei es seit dem frühen 19. Jahrhundert geltendes Recht, die Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften zwischen Verlagen und Autoren aufzuteilen. Das geschiehe deshalb, weil Verlage für ihre Leistungen honoriert werden müssten, so der Verband.

„Nur weil in der wichtigsten Richtlinie zum Urheberrecht das Wort Verlage fehlt, müsste jetzt eine über Jahrzehnte hinweg fruchtbare Zusammenarbeit von Autoren und Verlagen aufgekündigt werden. Die EU-Kommission, die ohnehin an Urheberrechtsänderungen arbeitet, hat jetzt die Pflicht, das zügig zu korrigieren, damit es bei der angemessenen und bewährten Aufteilungspraxis bleiben kann. Wird die Europäische Kommission hier nicht umgehend tätig, werden Verlage gezwungen sein, ihre Kalkulationen in jeder Beziehung anzupassen, auch was die Autorenvergütung betrifft“, sagt Matthias Ulmer, Vorsitzender des Verleger-Ausschusses des Börsenvereins. Das beträfe auch Dienstleistungen, die Verlage im Rahmen des kooperativen Zusammenwirkens mit Autoren in der VG Wort erbringen, beispielsweise, um zugunsten der Urheber die Erfassung von online genutzten Texten zu ermöglichen (METIS-Meldesystem).