Die Reform des Urhebervertragsrechts aus dem Jahre 2002 sei zwar ein „Schritt in die richtige Richtung“ gewesen, sagte Bundesjustizminister Heiko Maas am Montag bei einer Veranstaltung im Münchner Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, sie habe aber „noch nicht zu befriedigenden Ergebnissen“ geführt. Nach wie vor würden „Total Buyouts“ zu unangemessen niedrigen Preisen vereinbart, und wer sich als Kreativer dagegen wehre, riskiere es, keine Folgeaufträge mehr zu erhalten. Ihm drohe das sogenannte „Blacklisting“.
Vor allem zwei Defizite des geltenden Urhebervertragsrechts behauptet der Referentenentwurf aus Maas' Ministerium, der in einer vorläufigen Version bereits im Internet einsehbar ist, aber derzeit noch von den beteiligten Ressorts (unter anderen Inneres, Wirtschaft, Finanzen sowie Bildung und Forschung) überprüft wird:
- Die „gestörte Vertragsparität“ zwischen Urheber und Verwerter, die dazu führe, dass sich Kreative auf Vertragsbedingungen einlassen müssen, mit denen sie gegen unangemessene Einmalzahlung alle Rechte an einem Werk aus der Hand geben.
- Die fehlende Markt- und Handlungsmacht der Urheber, um ihren Anspruch auf angemessene Vergütung durchzusetzen.
An die Stelle „unangemessen niedriger Vergütungen“ solle die „faire Beteiligung an den Erlösen der Verwertung“ stehen. Dies sei durch individualrechtliche und kollektivrechtliche Mechanismen sicherzustellen. Insgesamt habe der Gesetzentwurf das Ziel, „die Belange der Urheber und ausübenden Künstler zu stärken“.
Selbst wenn die derzeit kursierende Beta-Version des Referentenentwurfs noch einige Retuschen erfährt, dürften folgende Punkte des Entwurfs im Wesentlichen unverändert bleiben:
- Urheber können nach fünf Jahren ein Nutzungsrecht zurückrufen, wenn ihnen ein anderes Angebot eines neuen Verwerters vorliegt. Der bisherige Vertragspartner kann die Verwertung zu den Bedingungen des Konkurrenzangebots fortsetzen. Bekommt zum Beispiel ein Autor nach fünf Jahren von einem anderen Verlag ein Angebot für eine Neuauflage, so kann er den Verlag wechseln – es sei denn, dass der bisherige Verlag im Sinne eines Vorkaufsrechts die Vertragsbedingungen des neuen Angebots übernimmt.
- Der Urheber hat künftig einen gesetzlichen Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung. Ein Verlag muss seinem Autor auch dann die verkaufte Stückzahl mitteilen, wenn er pauschal vergütet wird.
- Von „Verbänden auf Augenhöhe“ ausgehandelte Gemeinsame Vergütungsregeln und Tarifverträge sollen faire Vertragsbedingungen für Urheber aufstellen. Bei Verstößen sollen Verbände künftig auf Unterlassung klagen können.
- Verwerter, also auch Verlage, können sich künftig nicht auf eine vertragliche Bestimmung berufen, die zu Lasten des Kreativen – beispielsweise eines Übersetzers – von den gemeinsamen Vergütungsregeln abweicht.
- Um zu fair ausgehandelten Kollektivvereinbarungen wie etwa einer gemeinsamen Vergütungsregel zu kommen, wird die Bereitschaft der Akteure zu ihrem Abschluss vorausgesetzt. Einige Regelungen zum Schutz der Urheber sollen künftig nur noch kollektivrechtlich (durch Gemeinsame Vergütungsregel oder Tarifvertrag) beschlossen werden können.
Vor allem die Absichten des Ministers unter Punkt eins führen in Verlagen bereits zu erheblicher Besorgnis. Reimer Ochs, Justiziar von S. Fischer, hält die geplante Gesetzesnovelle – und insbesondere ein pauschales Rückrufrecht nach fünf Jahren – für eine Regelung, die vor allem kleinere und mittlere Verlage vernichten würde. „Wer könnte noch in ein Buchprojekt investieren, wenn er wüsste, dass in fünf Jahren ein finanzstarker Konkurrent Werk und Rechte wegkauft? Und das nicht etwa beim Verlag, sondern beim Autor! Das Ende des Verlagswesens, wie wir es kennen, wäre dann nicht mehr fern.“
Der Referentenentwurf stelle Behauptungen fern der Realität auf, wenn er Autoren als die „Schwachen“ bezeichne, die den „starken Verlagen“ ausgeliefert seien. Nach wie vor sei die Position des Autors wegen des scharfen Wettbewerbs um Rechte eine Position der Stärke. Behauptungen, dass Urheber, die ihre Ansprüche durchsetzen wollten, auf „schwarzen Listen“ landeten, bezeichnet Ochs als „Unsinn“.
Viele Annahmen und Unterstellungen in dem Gesetzentwurf hätten mit den Tatsachen der Verlagswelt nichts zu tun. Aus dem Text spreche gravierende Unkenntnis und Gleichgültigkeit gegenüber einer Industrie mit rund 120.000 anspruchsvollen Arbeitsplätzen, die außerdem zu fast 100 Prozent im Inland produziert.
Ochs zeigt sich irritiert darüber, dass der Gewerkschaft Verdi, die zu den treibenden Kräften dieses Entwurfs zähle, die Beschäftigten der Verlage offenbar gänzlich gleichgültig seien.
Probleme durch die fünfjährige Rückrufsfrist sieht auch der Münchner Rechtsanwalt und Urheberrechtsexperte Konstantin Wegner von der Kanzlei SKW Schwarz, die den „Münchner Entwurf“ zum Urheberrecht mitinitiiert hatte: Die kurze Frist gefährde die von vielen Verlagen praktizierte Mischkalkulation. Kleinere Verlage würden oft nur mit Büchern weniger Autoren Gewinne erzielen, so Wegner. Würden diese abgeworben, bräche das Geschäft der betroffenen Verlage ein.
Der Börsenverein will mit einer öffentlichen Stellungnahme warten, bis der endgültig abgestimmte Entwurf auf der Website des Bundesjustizministeriums eingestellt und somit der Öffentlichkeit übergeben wird.