Den Vorwurf des Börsenvereins, das Urteil versetze der einzigartigen deutschen Verlagskultur einen schweren Schlag, indem es der seit Jahrzehnten mit Erfolg betriebenen gemeinsamen Rechtewahrnehmung von Autoren und Verlegern in den urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften den Boden entziehe, hält Vogel für vorgeschoben: „Wenn nun beklagt wird, das BGH-Urteil zerstöre eine lange, bewährte Verlagskultur, so ist dies ein wenig überzeugender und durchsichtiger Einwand. Denn die beschworene Kultur beruht darauf, dass die Verleger mit Unterstützung der VG Wort und den in ihren Gremien mit einem Vetorecht ausgestatteten verlegerischen Berufsgruppen eine Verteilung aufrechterhalten, die rechtlich unzulässig ist und die Urheber um bis zur Hälfte ihrer gesetzlich verbrieften Vergütung bringt. Rechtswidrige Statuten haben bekanntlich keine Bestandsberechtigung. “
Zur Situation kleinerer Verlage, deren Existenz nun durch Rückforderungen der VG Wort bedroht ist, bemerkt Vogel: „Ich verstehe nur sehr bedingt, wenn nach dem gerade verkündeten Urteil des BGH das Schicksal der kleinen Verlage beklagt wird. Auch sie hätten mit einem für sie negativen Urteil rechnen müssen. Man hat ihnen freilich Sand in die Augen gestreut. Sollten sie jetzt wirtschaftlich in Schwierigkeiten geraten, bedauere ich das natürlich, weil ich selbst ein großer Freund gedruckter Lektüre bin. Aber ich bin auch ein großer Freund gerade derjenigen Autoren, die weit unter dem Durchschnitt verdienen und in prekären Verhältnissen leben. Auch deren Situation muss bedacht werden.“
Vogel übt in diesem Zusammenhang Kritik an dem ins Spiel gebrachten Begriff der „Symbiose“ von Urhebern und Verlegern. Es handele sich um einen „versöhnlichen wie die Rechtslage verschleiernden Begriff“, der dazu diene, „den Urhebern die Hälfte der ihnen kraft Gesetzes zustehenden gesetzlichen Vergütung abzujagen“. Symbiose sei „kein rechtlich relevanter Begriff“, "zumal Urheber und Verleger in bestimmten Fragen eben unterschiedliche Interessen haben, die sie untereinander in Ausgleich bringen müssen."
Den Verlagen hält Vogel zudem mangelnde Voraussicht vor. Niemand habe ernsthaft annehmen können, dass nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs alles so bliebe wie bisher: „Über jetzt fällige Rückzahlungen dürfen sich die Verlage nicht beschweren. Das liegt in der Natur von Rückzahlungsansprüchen. Als sorgfältige Kaufleute hätten sie mit Rückforderungen rechnen und diese in ihre wirtschaftlichen Überlegungen einbeziehen müssen – was in der Praxis viele Verlage getan haben, andere eben nicht. Ihr wirtschaftliches Risiko durch den Gesetzgeber ausgleichen zu lassen, halte ich für höchst problematisch. Das ist nicht Aufgabe des Staates in einer freien Marktordnung."
Die nun bestätigte Rechtslage hindere allerdings Autoren, die sich für die Beibehaltung der Verlegerbeteiligung ausgesprochen haben, insbesondere die Mitglieder von ver.di und dem DJV, nicht daran, „ohne eine rechtliche Verpflichtung ihre Verleger an ihrem Aufkommen aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen wie bisher – nur eben nachträglich – zu beteiligen; um Doppelzüngigkeit zu vermeiden, sollten sie das auch tun".
Am Scheideweg - alles zum aktuellen Urteil
Ob man es nun gut heißt oder nicht, es gibt viele kleine Verlage die ihre Einnahmen sofort wieder in wunderbare, kostbare, kleine Bücherschätze stecken und gar nicht in der Lage sind, irgendwelche Rücklagen zu bilden für eine Eventualität. Sie sind vielleicht ein netter Mensch, aber ich habe etwas gegen Prinzipienreiter, die ihre Prinzipien auf den Schultern anderer austragen. Einen Gefallen haben Sie damit niemandem erwiesen, außer vielleicht einer gewissen Genugtuung für Sie selbst. Fraglich ist, was Sie davon haben werden. Denn auch der Zwischenbuchhandel und die Verlagsauslieferungen leben davon, Bücher auszuliefern. Bei Büchern die nicht erscheinen werden, wird das ein Problem. Bei vielen Büchern die nicht erscheinen werden, wird das ein großes Problem. Und großen Problemen von wirtschaftlich erfolgreich arbeitenden Firmen wird in der Regel mit Personalabbau entgegengetreten. Schönen Dank auch!
Die Frage ist auch, ob die Lage überhaupt so dramatisch ist, wie manchmal dargestellt. Wenn es heißt, dass Verlage bis zu 200% des durchschnittlichen Jahresgewinns zurückzahlen müssen, handelt es sich um den zweifachen Jahresgewinn (nicht Umsatz und auch nicht das 200-fache). Wenn die Verlage wirtschaftlich so schwach sind, wie oft behauptet, dann machen sie auch nur wenig Gewinn und dann wäre das Zweifache davon auch nicht sehr viel. Wenn dies einen Verlag schon in die Insolvenz treibt, dann sollte sich der Verleger vielleicht ein anderes Betätigungsfeld suchen, weil er entweder zu wenig Geschäft macht oder wirtschaftlich amateurhaft handelt. Wenn ich mir die Branche und die Kommentare zum VG Wort-Urteil so ansehe, stehen die professionell arbeitenden Verlage auf festen Füßen und können die Rückzahlungen verkraften, ohne eine Insolvenz fürchten zu müssen.
Sie haben es also geschafft. Die Zwangsrückzahlung der VG Bild und sehr wahrscheinlich demnächst der VG Wort sind rechtskräftig. Die Rückzahlungsaufforderung der VG Bildkunst ist diesen Montag in unserem Verlag eingetroffen.
Herr Vogel, Sie behaupten, dass Verlage, die in Schieflage wegen dieser Zahlungen geraten, nicht gut wirtschaften. Das ist Ihr gutes Recht, jedoch schildere ich Ihnen hier öffentlich, was seit besagtem Montag bei uns im Verlagshaus los ist:
Die Rückzahlung muss binnen 3 Wochen vollständig bei der VG Bildkunst eingegangen sein. Netter Hinweis zum Insolventsrecht war gleich dem Schreiben beigefügt nach dem Motto: Kannste nicht zahlen, geh zum Amtsgericht!
Als Verleger bin ich nun, dank Ihres Egos, dazu verpflichtet, zwei meiner freien Mitarbeiter sofort zu entlassen. Dabei schmerzt mich persönlich sehr, dass es um eine alleinerziehende Mutter und einen jungen Absolventen handelt. Beide können nichts dafür und gehören zu meinen besten Mitarbeitern! Daran sind Sie schuld! Ich darf hier nicht wiederholen, welche Wut diese beiden mir gegenüber, vor allem aber Ihnen gegenüber empfinden. Diese Rechtsprechung ist absolut asozial. Den Namen Martin Vogel werden wir uns alle in der Branche merken, seien Sie sich dessen bitte bewusst.
Eine sozial verträgliche Lösung wäre gewesen, wenn ab 2017 die neue Rechtssituation umgesetzt würde, sprich, keine Auszahlungen mehr an Verlage getätigt werden. Darauf kann man sich als Geschäftsführer und auch als Unternehmen einstellen. Rückwirkend ab 2012 die Zahlungen in einer solch kurzen Zahlungsfrist zu stemmen, das vermögen nur die etablierten, großen Verlage. Mein Startup-Verlag ist jetzt massiv unter Druck, denn die Ausschüttungen der VG Bildkunst und VG Wort haben wir in Produkte und Dienstleistungen sofort investiert und haben es nicht als Gewinnmaximierung auf die Seite gelegt. Herzlichen Dank, die kleinen gehen drauf, wieder mal mehr Platz für die großen gemacht.
Im Namen meiner betroffenen Mitarbeiter möchte ich mich ausdrücklich nicht für Ihr Engagement bedanken. Sie werden sicherlich in der Branche keinen guten Stand mehr haben, dessen bin ich mir sicher. Und das ist auch gut so!
Mögen Sie als Urheber nun glücklich sein, wir als Verwerter sind vor den Kopf geschlagen, mit allen nötigen Konsequenzen, die auch schon die weiteren Kommentatoren hier ausgeführt haben.
Ein Verleger in Rage
freie Mitarbeiter kann man nicht kündigen. Denn sie sind, wie der Name es schon sagt, frei. Frei von einem halbwegs sicheren Arbeitsplatz und nahezu frei von Sozialabgaben. Sie sind das Renditeopfer Ihrer Branche. Das sind Leute, die 24/7 verfügbar sind, die kein Urlaubsgeld bekommen und bei denen Krankheit ihr eigenes Problem ist. Das sind Leute, die schlagen dann mit einem, vielleicht, geringen Honorar bei der KSK auf. Den Arbeitgeberanteil an der sozialen Absicherung habe ich dann mitzutragen. In der Höhe eines 13. Monatsgehalts einschliesslich Krankenversicherung. Ich habe diesen Beitrag zubezahlen. Unabhängig davon ob ich mehr oder weniger als die Versicherten verdiene. Unabhängig davon, ob mein Einkommen für eine eigene Krankenversicherung noch reicht.
Das System der VG Wort zeigt, den Verlagen genügt es nicht nur festangestellte Autoren, Redakteure und Lektoren in Freiberufler mit geringen Sozialabgaben zu verwandeln, nein, man hält Ihr Einkommen auch noch klein. Das Ausschüttungsverhältnis ist / war so genial, da sprang sicherlich die eine oder andere KSK Abgabe raus.
Sicherlich haben Sie als kleiner Verlag zu kämpfen, das will ich nicht in Zweifel ziehen. Sie sollten aber besser den Schulterschluss mit den anderen, kleinen, Verlagen suchen, gemeinsam Lösungen erarbeiten und nicht sich über das Urheberrecht Ihres Autors finanzieren. Das führt zu keinem guten Ende, für keinen.
Was die Gewerkschaften angeht: diese sind in erster Linie ihren Mitgliedern verpflichtet und die sitzen nun mal in den grossen Häusern und deren Druckereien. Die kleinen Autoren und Publizisten sind allenfalls Frischfleisch gegen die schrumpfenden Mitgliederzahlen in der Industrie.
Ich persönlich beglückwünsche Herrn Vogel zu dem Mut und die Ausdauer mit der er sich, trotz teilweise abstrusser Stellungnahmen wie in der FAZ, hier für die Autoren und Publizisten eingesetzt hat. Wenn jetzt die Autoren und Publizisten nicht dem Druck der Verlage nachgeben, bricht sicherlich kein goldenes Zeitalter an. Aber zumindest hat der Autor dann einen angemessenen finanziellen Anteil an seinem Urhebertum.
Es ist ein krankes, korruptes und absolut ich bezogenes, profitorientiertes System.
CE