Mit dem heutigen Urteil wies das Gericht die Rechtsmittel beider Parteien zurück: die Revision der VG Wort ebenso wie die Anschlussrevision des Klägers Vogel, der erreichen wollte, dass seiner Klage in vollem Umfang stattgegeben wird.
Ein Schlag gegen kleine Verlage?
Im Vorfeld der Entscheidung hätten zahlreiche kleinere und mittelständische Verlage in Veröffentlichungen und Briefen vor den möglicherweise existenzgefährdenden Folgen einer ablehnenden Entscheidung gewarnt, sagte Büscher bei der Verkündung. Dies habe das Gericht nicht interessieren dürfen, da es "ausschließlich um die Prüfung der Rechtslage" gegangen sei. Er gab aber zu bedenken, "ob sich die Urheber einen Gefallen tun, wenn sie sich auf diese Weise von den Verlagen trennen". Den Verlagen stehe es frei, den Gesetzgeber zu bewegen, ihnen ein eigenständiges Leistungsschutzrecht zu verschaffen.
In dem Verfahren ging es um die Frage, ob die Beteiligung von Verlagen an Ausschüttungen der VG Wort mit der aktuellen Rechtslage in Deutschland und in der Europäischen Union vereinbar ist. Dies hat der I. Zivilsenat des BGH nun ausdrücklich verneint: "Die Beklagte ist nicht berechtigt, einen pauschalen Betrag in Höhe von grundsätzlich der Hälfte ihrer Einnahmen an Verlage auszuschütten." Eine Verwertungsgesellschaft habe die Einnahmen aus der Wahrnehmung der ihr anvertrauten Rechte und Ansprüche auschließlich an die Inhaber dieser Rechte und Ansprüche auszukehren. Den Verlegern stünden aber, so die Begründung des Gerichts, keine eigenen Rechte oder Ansprüche nach dem Urheberrechtsgesetz zu, die von der VG Wort wahrgenommen werden könnten. "Verleger sind - von den im Streitfall nicht in Rede stehenden Presseverlegern abgesehen - nicht Inhaber eines Leistungsschutzrechts. Die gesetzlichen Vergütungsansprüche für die Nutzung verlegter Werke stehen kraft Gesetzes originär den Urhebern zu."
Die VG Wort nehme auch keine von Urheberseite eingeräumten Rechte in einem Umfang wahr, die eine Beteiligung der Verleger an der Hälfte der Einnahmen begründen könnte, so das Gericht. Eine Beteiligung bestimmter Urheberorganisationen durch die VG Wort sei jedoch erlaubt, soweit die Autoren diesen Organisationen ihre bereits entstandenen gesetzlichen Vergütungsansprüche abgetreten hatten.
Börsenverein kritisiert das BGH-Urteil scharf: "Schwerer Schlag für Verlagskultur in Deutschland"
Zur Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs
"Es hebt mich aus den Schuhen": Umfrage unter Verlagen zum VG-Wort-Urteil
Über die Konsequenzen kann man freilich spekulieren, ein guter Teil davon ist ja längst verjährt (die Verlage sind also viele Jahre ganz ordentlich von ihren Autoren unterstützt worden) und denkbar ist auch, dass Autoren auf das Geld freiwillig verzichten, um ihrem Verlag nicht zu schaden, aber wenn wirklich eine Urheberrechts-Gesetzesänderung auf den Weg gebracht werden sollte, um diese Forderungen nachträglich zu annullieren, dann werde ich das zukünftig als Präzedẹnzfall anführen, um die Forderungen der Rechteverwerter gegenüber Lesern, Nutzern und der Öffentlichkeit in gleicher Weise für nichtig zu erklären, denn es kann nicht sein, dass die Gesetzgebung einseitig zugunsten der Rechteverwertungsindustrie erfolgt, was sie sich mit ihrer Lobby nur deshalb einkaufen kann, weil sie vorher die Urheber um das dafür notwendige Geld gebracht hat. Das beziehe ich ausdrücklich nicht auf die VG Wort, welche diese Gelder gar nicht erst an die Verlage hätte ausschütten dürfen, denn eigentlich hätten die Verlage das Geld ablehnen, einbehalten, zurückgeben, an den Urheber weiterleiten müssen, und jetzt gibt es ein Problem überall dort, wo das nicht passiert ist, sondern ausgegeben wurde.
Dass sich der Börsenverein erdreistet, die betroffenen Autoren über den „wahren Willen des Gesetzgebers“ belehren zu wollen [1], halte ich in diesem Zusammenhang für äußerst unangebracht. Das Urheberrecht hat seit jeher immer auf den Urheber abgezielt, ihm sämtliche Rechte zugesprochen und niemals einem Rechteverwerter, damit ersterer gemäß seiner Vertragsfreiheit das für ihn günstigste Angebot aushandeln kann und auf diese Weise die Entstehung von Kultur gefördert wird, und nicht etwa die Subventionierung eines Wirtschaftszweigs. Skipis irrt oder täuscht bewusst, wenn er meint, Verlage wären irgendwie automatisch zu Rechteinhabern gekommen – mindestens im Fall Vogel hat der Verlag nämlich keine Rechte an einem Anteil an der Leermedienabgabe erworben. Eine derartige automatische Berechtigung des Rechteverwerters wäre unserer Urheberrechtskonzeption ganz grundsätzlich fremd und könnte man sich höchstens im Rahmen des Leistungsschutzrechts halbwegs vorstellen.
[1] http://www.boersenverein.de/de/portal/Presse/158382?presse_id=1133208
Ich bin überzeugt, dass die Autoren im Ergebnis einen Phyrrussieg errungen haben.
Für den kleinen, knapp kalkulierten Verlag kann das jüngste Urteil natürlich fatal sein, aber bei den gegenwärtigen Zuständen der restriktiven Rechteverwertung stellt sich grundsätzlich die Frage, inwiefern die Verlagswelt überhaupt einen vernünftigen Beitrag zur Kultur und Bildung leistet, das meiste davon verpufft nämlich in der technischen und rechtlichen Unzugänglichkeit.
Ob nun die Autoren oder die Verlage das Verfahren gewinnen – in beiden Fällen sitzen sie im gleichen Boot eines hoffnungslos veralteten Publikationsbetriebs, in dem immer mal wieder zwangsläufig etwas kaputt gehen wird, wenn man unbedingt an dem Modell festhalten will.