Analyse von Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang (Teil 2)

Rückforderungen von Verwertungsgesellschaften – was können Verlage tun?

6. Juni 2016
Redaktion Börsenblatt
Im zweiten Teil seiner Analyse des VG-Wort-Urteils des Bundesgerichtshofs geht Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang zunächst der Frage nach, welche gesetzgeberischen Möglichkeiten zur Erhaltung gemeinsamer Verwertungsgesellschaften von Autoren und Verlagen bestehen. Schwerpunktmäßig geht es dann um die bevorstehenden Rückforderungen von Verwertungsgesellschaften gegen Verlage.

Durch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Hewlett Packard Belgium ./. Reprobel vom 12. November 2015 und des Bundesgerichtshofs in der Sache Dr. Martin Vogel – VG Wort gilt der seit Jahrzehnten angewendete Verteilungsplan der VG Wort als rechtswidrig. Auch die Verteilungspläne der Verwertungsgesellschaften GEMA, VG Bild-Kunst und VG Musikedition sind von diesen Urteilen betroffen. Was bedeutet dies für die Verwertungsgesellschaften, vor allem aber für die betroffenen Verlage? Gehören gemeinsame Verwertungsgesellschaften von Urhebern und Verlagen damit ein für alle Mal der Vergangenheit an? Auf welche Rückforderungen müssen sich Verlage einstellen, und haben sie Möglichkeiten, sich gegen diese zur Wehr zu setzen?

Im ersten Teil seines Artikels hat Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang das Vogel-Urteil des Bundesgerichtshofs analysiert und sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Schaffung eines eigenen gesetzlichen (Leistungsschutz-)Rechts für Verlage die Lösung aller Probleme sein könnte. In einem separaten Beitrag haben sich drei Bilanz- und Steuerrechtsexperten der Münchener Kanzlei Crowe Kleeberg mit den Auswirkungen der Entscheidungen auf die Bilanzen von Verlagen beschäftigt. Dabei haben sie auch die Frage in den Blick genommen, unter welchen Voraussetzungen die notwendige Bildung von Rückstellungen für Unternehmen aufgrund der zu erwartenden Rückforderungen durch Verwertungsgesellschaften insolvenzrechtliche Konsequenzen haben kann.

Im heutigen zweiten Teil seines Artikels geht Christian Sprang zunächst der Frage nach, welche Möglichkeiten zur Erhaltung gemeinsamer Verwertungsgesellschaften von Autoren und Verlagen durch gesetzgeberische Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene bestehen. Schwerpunktmäßig geht es in seinem Beitrag dann um die bevorstehenden Rückforderungen von Verwertungsgesellschaften gegen Verlage.


Unter welchen Bedingungen haben gemeinsame Verwertungsgesellschaften von Autoren und Verlagen eine Zukunft?
Im ersten Teil meines Beitrags habe ich dargestellt, dass die Existenz gemeinsamer Verwertungsgesellschaften von Autoren und Verlagen nach den aktuellen höchstrichterlichen Urteilen nur noch politisch gerettet werden kann. Aufgrund des Umstands, dass das europäische Urheberrecht dem Urheberrecht der EU-Mitgliedstaaten übergeordnet ist, ist insbesondere ein Handeln des europäischen Richtliniengebers unabdingbar. Es ist ein gutes Zeichen, dass Digitalkommissar Günther Oettinger, in dessen Zuständigkeit das Urheberrecht fällt, bereits einen Konsultationsprozess eingeleitet hat, um eine Änderung der einschlägigen EU-Urheberrechtsrichtlinie vorzubereiten. An dieser Konsultation sollten sich alle Verlage beteiligen um zu dokumentieren, welche Bedeutung der Weiterbestand gemeinsamer Verwertungsgesellschaften von Autoren und Verlagen für die europäische Kreativwirtschaft hat. Ein Dokument mit Kommentaren und Empfehlungen zu der Konsultation hat der Börsenverein seinen Mitgliedsverlagen bereits zur Verfügung gestellt.

Notwendige Korrekturen im europäischen Urheberrecht
Gemeinsames Ziel der Branche sollte eine Klarstellung dahingehend sein, dass auch ein ausschließlich aus (vom Autor) abgeleiteten Rechten agierender Verleger als Rechteinhaber im Sinne des EU-Rechts anzusehen ist. Daneben steht der Börsenverein der Anerkennung eigenständiger Leistungsschutzrechte für bestimmte Arten von Verlagen, bei denen dies von ihrem Geschäftsmodell her passt, befürwortend und unterstützend gegenüber.

Würde die Klarstellung durch den europäischen Richtliniengeber erfolgen, wäre die Grundlage dafür gelegt, hinsichtlich der Ausschüttungen aller Verwertungsgesellschaften in der EU wieder zum gewohnten Zustand zurückzukehren. Die Einzelheiten dazu könnten die nationalen Gesetzgeber dann in ihren Urheberrechtsgesetzen regeln. Dabei ist es in Deutschland nach dem Vogel-Urteil zusätzlich erforderlich, Teile der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu korrigieren. Dies betrifft insbesondere dessen Annahme, dass es bei der Aufstellung der Verteilungspläne von Verwertungsgesellschaften darauf ankommt, wer die zur gemeinsamen Wahrnehmung vorgesehenen Rechte eingebracht hat.

Allerdings sind Richtliniensetzungsverfahren wegen der notwendigen Beteiligung von drei Parteien – EU-Kommission, Ministerrat, EU-Parlament – zeitaufwändig. Selbst wenn seitens der Kommission noch in diesem Jahr eine Richtlinienänderung auf den Weg gebracht wird, würden die Ausschüttungen der deutschen Verwertungsgesellschaften voraussichtlich nicht nur 2016, sondern auch 2017 – und womöglich sogar noch länger – unter der durch Reprobel- und Vogel-Urteil geprägten derzeitigen Rechtslage stattfinden müssen. Damit einher geht die Gefahr, dass tragende Strukturen dieser Gesellschaften, insbesondere die bewährte gemeinsame Rechtewahrnehmung von Urhebern und Verlagen, in der Zwischenzeit irreversibel zerstört werden.

Notwendige Korrekturen im nationalen Urheberrecht
Daher scheint ein Eingreifen auch des nationalen Gesetzgebers unverzichtbar, um VG Wort, GEMA & Co. kurzfristig wieder zu stabilisieren. Umstritten ist dabei allerdings, inwieweit insbesondere das HP./.Reprobel-Urteil des Europäischen Gerichtshofs den nationalen Gesetzgebern in Europa überhaupt Handlungsspielräume zur Wiederherstellung einer gemeinsamen Rechtewahrnehmung von Autoren und Verlagen mit einer Teilung der Erlöse offen gelassen hat. Aus Sicht der EU-Kommission ist ein vorübergehendes rettendes Eingreifen der nationalen Parlamente auch nach der Entscheidung des EuGH möglich. Auf diesem Weg vorangegangen ist vor einigen Wochen der österreichische Gesetzgeber, der in der Neufassung des österreichischen Verwertungsgesellschaftengesetzes eine Vorschrift verankert hat, mit der die gemeinsame Rechtewahrnehmung in den Verwertungsgesellschaften befestigt wird (§ 34 Abs. 1 S.3: „Verwertungsgesellschaften, denen Urheber und Inhaber abgeleiteter Rechte angehören, können bei der Verteilung Angehörige beider Gruppen unabhängig davon berücksichtigen, wer die Rechte in die Verwertungsgesellschaft eingebracht hat.“)

Auch der belgische Gesetzgeber ist dem Vernehmen nach bereit, die Auswirkungen des (aus Belgien herrührenden) Falles HP ./. Reprobel durch ein legislatives Eingreifen zu korrigieren. Dieses knüpft, wie es auch von den zuständigen Juristen der EU-Kommission empfohlen wird, an das Votum des Generalanwalts in der Sache HP ./. Reprobel an. Danach kann die von Verwertungsgesellschaften geltend gemachte „angemessene Vergütung“ zusätzlich zum „gerechten Ausgleich“ für Urheberrechtsschranken, der nach dem Europarecht (nur) den Autoren zusteht, auch einen Verlegeranteil enthalten.

In Deutschland ist die rechtliche Situation insofern komplizierter, als vom Gesetzgeber hier nicht nur die Reprobel-Entscheidung des EuGH zu berücksichtigen ist, sondern auch das Vogel-Urteil des BGH bei der Ausgestaltung eines Lösungswegs teilweise korrigiert werden muss. Gleichwohl bestehen auch im deutschen Recht Möglichkeiten, den Weiterbestand der bewährten gemeinsamen kollektiven Rechtewahrnehmung von Urhebern und Verlagen einschließlich der Erlösteilung durch einen kurzfristig erfolgenden legislativen Eingriff zu sichern. Hierzu liegt den verantwortlichen Politikern ein konkreter Regelungsvorschlag vor, der vom Börsenverein und den Verbänden der Presse-, Musik- und Bildungsmedienverleger auf der Basis eines Gutachtens eines renommierten deutschen Urheberrechtsprofessors gemeinsam entwickelt worden ist. Einen etwas anderen, aber ebenfalls zur Korrektur der Auswirkungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung geeigneten Lösungsweg haben die betroffenen Verwertungsgesellschaften den Verantwortlichen in Berlin aufgezeigt.

Wohl und Wehe der Rechtewahrnehmung von Autoren und Verlagen in GEMA, VG Wort & Co. hängt nun davon ab, dass der deutsche Gesetzgeber entweder einen der ihm aus der Wirtschaft vorgeschlagenen Entwürfe aufgreift oder selbst einen Lösungsweg entwickelt, der die gemeinsamen Verwertungsgesellschaften vor dem unwiderruflichen Zerfall rettet. Dabei besteht ein enormer Zeitdruck, weil die Verwertungsgesellschaften aufgrund der mit ihrer Treuhandstellung einhergehenden strikten Bindung an Gesetz und Recht gezwungen sind, bereits in den nächsten Monaten über die rückwirkende Änderung ihrer Verteilungspläne sowie künftige Neufassungen ihrer Satzungen und Verteilungspläne zu entscheiden und dabei, wenn der Gesetzgeber nicht eingreift, die Reprobel- und Vogel-Rechtsprechung ohne Abstriche übernehmen müssen.

Rückforderungen der VG Wort und anderer Verwertungsgesellschaften gegen Verlage
Die Verwertungsgesellschaften müssen aber nicht nur über Verteilungspläne und Satzungs-änderungen entscheiden, sondern auch darüber beschließen, ob, wann, für welchen Zeitraum und wie sie Gelder zurückzufordern haben, die sie in der Vergangenheit an Verlage ausgeschüttet haben. Bei der VG Wort soll diese Entscheidung auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung fallen, die am 10. September in München angesetzt ist. Bei ihren turnusmäßigen Sitzungen, die Ende letzter Woche in Berlin stattfanden, haben sich die Gremien der VG Wort anhand ausführlicher Gutachten des Urheberrechtsexperten Dr. Nils Rauer von der Kanzlei Hogan Lovells bereits auf diese schwierigen Entscheidungen vorbereitet. Hinsichtlich der Rückforderungen gegen Verlage enthalten die Gutachten folgende Empfehlungen:

  • Aufgrund des Legalitätsprinzips ist die VG Wort gezwungen, gegen die Verlage nach pflichtgemäßem Ermessen Rückforderungen geltend zu machen und durchzusetzen.
  • Sobald der (am 10. September anstehende) Beschluss der Mitgliederversammlung über die Rückforderung gefasst ist, muss die Verwaltung der VG Wort diesen zeitnah gegen alle ca. 4.000 Verlage umsetzen, die in den letzten Jahren Ausschüttungen erhalten haben.
  • Zum genauen Zeitraum, für den Gelder zurückgefordert werden müssen, wird derzeit ein weiteres Rechtsgutachten erstellt, in dem die dabei relevanten verjährungsrechtlichen Aspekte detailliert geprüft werden. Es ist zu hoffen, dass der Rückforderungszeitraum lediglich die Jahre 2012 bis 2015 betreffen wird. (Anmerkung: Relevant ist dabei das Jahr der Ausschüttung, nicht das Jahr, auf das sich die Ausschüttung bezieht.) Würde sich dies bestätigen, müsste alleine die VG Wort von den Verlagen insgesamt 99,6 Mio. EUR zurückfordern. Die genaue Höhe der Rückforderungen von GEMA, VG Bild-Kunst und VG Musikedition steht noch nicht fest.
  • Ausgenommen von den Rückforderungen dürften Erlöse sein, die die VG Wort auf vertraglicher Grundlage außerhalb gesetzlicher Vergütungsansprüche erzielt hat, namentlich die Ausschüttungen an Schulbuchverlage für das Kopieren an Schulen.
  • Sollte ein Verlag nachweisen können, dass ihn die Rückforderungen der VG Wort in akute Insolvenzgefahr bringen, darf die VG Wort unter Anwendung pflichtgemäßen Ermessens die Forderungen sowohl ganz oder teilweise stunden als auch Zahlungspläne vereinbaren. Welche Kriterien dabei für die Feststellung einer Insolvenznähe angewendet werden und wie genau mögliche Zahlungsmodalitäten aussehen können, muss von der Verwaltung der VG Wort noch erarbeitet und von den Gremien beschlossen werden.
  • Nach dem Vogel-Urteil des BGH dürfen Verlage an den Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften partizipieren, wenn ihre Autoren ihnen bereits entstandene Vergütungsansprüche vertraglich ganz oder teilweise einräumen. Gesetzliche Vergütungsansprüche entstehen bei Büchern im Regelfall mit deren Erscheinen (und können nach der Auslegung des BGH im Vorhinein, d.h. in dem regelmäßig vor der Veröffentlichung liegenden Verlagsvertrag, nicht rechtswirksam übertragen werden). Wenn ein Verlag gegenüber der VG Wort (bzw. gegenüber GEMA, VG Bild-Kunst oder VG Musikedition) Berechtigungsnachweise vorlegen kann, aus dem sich eine solche nachträgliche Rechteeinräumung durch die Urheber ergibt, dann entfällt insoweit die Rückforderung der Verwertungsgesellschaft.


Nachträgliche Rechteübertragung vom Autor an den Verlag
Nach dem eben Gesagten ist es grundsätzlich vorstellbar, dass ein Verlag sich von seinen Autoren deren Auszahlungs- bzw. Nachzahlungsansprüche gegen die VG Wort in der Höhe des bisherigen Verlagsanteils abtreten lässt und mit diesen gegen die zu erwartenden Rückforderungen der VG Wort aufrechnet. Das setzt allerdings voraus, dass die Autoren dem Verlag gegenüber eine solche Abtretung ihrer Ansprüche erklären. Das muss in einem gesonderten (schriftlichen) Vertrag geschehen – der ursprüngliche Verlagsvertrag kommt dafür nicht infrage, weil eine Abtretung der Ansprüche erst nach deren Entstehung, also erst nach Erscheinen des Werks, möglich ist.

Im Einzelnen ist hinsichtlich der Ausgestaltung dieser Möglichkeit, Rückforderungen von Verwertungsgesellschaften (teilweise) niederschlagen zu können, noch vieles unklar. So werden die Gremien der VG Wort frühestens im September darüber entscheiden, wie der rückwirkende Verteilungsplan aussieht, der an die Stelle des vom Bundesgerichtshof für unwirksam erklärten bisherigen tritt. Erst danach wird man genau wissen, bei welchen Autoren in welcher Höhe vergangenheitswirksame Ansprüche entstehen, die sie anteilig ihrem Verlag einräumen könnten.

Einiges deutet darauf hin, dass primär Urheber anspruchsberechtigt sind, die in den letzten drei Jahren bzw. im Zeitraum von 2012 bis 2015 Werke veröffentlicht und gemeldet haben. Die nun zur Rückforderung anstehenden Ausschüttungen an Verlage nach dem obsolet gewordenen alten Verteilungsplan haben sich hingegen auf lieferbare Titel bezogen, deren Erscheinen bis zu 40 Jahre zurückliegen konnte. Es bestehen daher erhebliche Inkongruenzen zwischen den Werken, für die Verlage (zumindest gedanklich) Rückzahlungen schulden und denjenigen, für die zugunsten der Autoren jetzt retroaktiv Nachausschüttungsansprüche gegen die VG Wort entstehen. Wie dies administrativ berücksichtigt wird, ist derzeit noch ungeklärt.

Wichtiger als derlei Detailfragen wird für einen Verlag hingegen die Überlegung sein, ob und hinsichtlich welcher seiner Autoren er überhaupt versuchen will, zu einer erneuten, nun nachträglichen Einräumung von Rechten zu kommen, um Rückzahlungen an Verwertungs-gesellschaften ganz oder teilweise zu entgehen:

  • Ist der dabei entstehende administrative Aufwand in den dafür zur Verfügung stehenden wenigen Monaten überhaupt sinnvoll zu bewältigen, z.B. für einen Zeitschriftenverlag, der die Autorinnen und Autoren der letzten drei oder vier Jahrgänge kontaktieren und mit diesen nachkontrahieren müsste?

  • Werden die Autoren, die keinerlei rechtliche Pflicht zu solchen nachträglichen Rechteeinräumungen haben, das Ansinnen ihres Verlags möglicherweise ablehnen?

  • Wie gut wird es dem Verlag gelingen zu verdeutlichen, dass ein von ihm mit der Bitte um Unterzeichnung übersandter Nachtrag zum Verlagsvertrag nicht eine Schnorrerei, sondern ein durch Gerichtsurteile notwendig gewordener Akt zur Wiederherstellung des von den Vertragspartnern ursprünglich gewollten Leistungsaustausches ist?

  • Ist die Autorin bzw. der Autor eines Werks überhaupt Wahrnehmungsberechtigter der VG Wort und kann gegen diese Ansprüche geltend machen (oder muss sie/er es ggf. zunächst noch werden)?

Die Antwort auf all diese Fragen kann jeder Verlag nur für sich geben und dabei jeden einzelnen Fall seiner Autorinnen und Autoren betrachten. Dabei werden wirtschaftliche Erwägungen sicherlich eine zentrale Rolle spielen. Wie existenziell ist für den Verlag die Gefahr, die von den bevorstehenden Rückforderungen der Verwertungsgesellschaften ausgeht? Mit wie viel Aufwand ist der erneute Abschluss von Nachtragsverträgen verbunden und stehen dafür überhaupt Ressourcen zur Verfügung?  

Wichtig ist in jedem Fall, dass ein Verlag darauf achtet, dass sich die Einholung von Berechtigungsnachweisen von Urhebern nicht aufs Geratewohl vollzieht. Da es sich bei einem solchen Abtretungsvertrag automatisch um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, die die Verlage gegenüber einer Vielzahl von Autoren einheitlich verwenden, sind strenge zivilrechtliche Vorschriften für deren Wirksamkeit zu beachten. Der Börsenverein erarbeitet derzeit gemeinsam mit einem externen Anwalt ein Muster einer geeigneten Abtretungsvereinbarung. Wir gehen davon aus, dass wir unseren Mitgliedern dieses Muster noch im Laufe dieses Monats zur Verfügung stellen können.

Änderung künftiger Verlagsverträge
Die Rechtsabteilung des Börsenvereins erreichen derzeit viele Fragen danach, wie künftig Verlagsverträge gestaltet werden sollten. Wie im ersten Teil dieses Artikels bereits erörtert, geben die höchstrichterlichen Urteile, die im Augenblick die Rechtslage prägen, hinsichtlich der Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften keinerlei Spielraum für abweichende privatautonome Gestaltungen. Derzeit ist noch ganz unklar, ob und welche kurzfristigen Maßnahmen der Gesetzgeber zur Rettung der Verlegerbeteiligung in den Verwertungsgesellschaften ergreifen wird. Von der gesetzlichen Situation hängen die Möglichkeiten der vertraglichen Gestaltung in Vereinbarungen zwischen Verlagen und ihren Autoren aber ganz entscheidend ab. Es ist davon auszugehen, dass wohl erst im Herbst Klarheit bestehen wird, ob und ggf. welche Änderungen sich am Text von Verträgen anbieten, mit denen Autoren Verlagsrechte an ihren Werken einräumen.

Was können Verlage jetzt tun?
Zusammengefasst empfehlen sich für Verlage in der eingetretenen Situation folgende Maßnahmen:

  • In den Bilanzen sollten Rückstellungen gebildet werden, die sich an den Ausschüttungen orientieren, die ein Verlag zwischen 2012 und 2015 von GEMA, VG Musikedition (jeweils teilweise – in puncto GEMA steht Ende Juni noch eine Entscheidung des Kammergerichts Berlin ins Haus, die vermutlich nähere Erkenntnisse zu Rückforderungen gegen Verlage bringen wird) sowie VG Wort und VG Bild-Kunst (jeweils ganz) erhalten hat.
  • In ihrer Liquiditätsplanung sollten sich die Verlage darauf einstellen, dass die Rückforderungen – jedenfalls was die VG Wort betrifft – im Herbst dieses Jahres geltend gemacht werden.
  • Jeder Verlag sollte für sich prüfen, ob und in welchem Umfang er an seine Autorinnen und Autoren der letzten drei oder vier Jahre mit der Bitte herantreten will, ihm den „Verlagsanteil“ von deren bereits entstandenen Auszahlungsansprüchen gegen die VG Wort abtreten zu lassen. Damit eine solche Abtretung auch wirklich zu einem von der Verwaltung der VG Wort anerkannten Berechtigungsnachweis führt, der anteilig gegen die Rückforderung der Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann, sollten Muster verwendet werden, die voraussichtlich noch im Laufe dieses Monats von Rechtsabteilung (rechtsabteilung@boev.de) oder Verlegerausschuss (verlegerausschuss@boev.de) bzw. von den Geschäftsstellen der Landesverbände des Börsenvereins abgerufen werden können (Serviceangebot nur für Mitgliedsverlage des Verbands).
  • Alle Verlage, die ordentliche Vereinsmitglieder einer Verwertungsgesellschaft sind, sollten sich an deren kommenden Hauptversammlungen beteiligen bzw. zumindest Stimmvollmachten für dort anwesende Kollegenverlage erteilen. Die Beschlussfassung über Rückforderungen sowie notwendige Änderungen von Satzung und Verteilungsplan findet z.B. bei der VG Wort im Rahmen außerordentlicher Mitgliederversammlungen am 10. September und 26. November, beide jeweils in München, statt.
  • Jeder (Mitglieds-)Verlag sollte sich laufend beim Börsenverein informieren, wie sich die Dinge weiter entwickeln. Die durch Reprobel- und Vogel-Urteil hervorgerufenen Umwälzungen sind so massiv, dass sich die Umsetzung der neuen Rechtslage voraussichtlich noch über viele Monate hinziehen wird. Dies gilt z.B. auch für die Frage, unter welchen Bedingungen Verlage Stundungen der gegen sie bestehenden Rückforderungen bei Verwertungsgesellschaften erreichen können bzw. ob alternativ ein Hilfsfonds zustande kommt, dessen Errichtung der Börsenverein bei der Bundesregierung angeregt hat.
  • Schließlich sollten sich alle Verlage bis zum 14. Juni an der oben erwähnten Konsultation der EU-Kommission beteiligen und dabei zum Ausdruck bringen, welche Bedeutung der Weiterbestand gemeinsamer Verwertungsgesellschaften von Autoren und Verlagen für die europäische Kreativwirtschaft hat. Dafür hat der Börsenverein ein Dokument mit Kommentaren und Empfehlungen bereitgestellt, das als Hilfestellung verwendet werden kann.

Insgesamt liegt das Schicksal gemeinsamer Verwertungsgesellschaften von Autoren und Verlagen sowohl in Deutschland wie in Europa momentan einzig in den Händen der Politik. Die Mitgliedsverlage in VG Wort und Börsenverein haben sich klar dafür ausgesprochen, auch in Zukunft Urheberrechte gemeinsam mit ihren Autorinnen und Autoren in kooperativ organisierten Verwertungsgesellschaften wahrnehmen zu wollen. Am anderen Ende des Taus wirken zu starke Kräfte – neben der Geräteindustrie vermehrt auch von digitalen Giganten wie Google & Co. – auf das Urheberrecht ein, als dass es sich Urheber und Verlage leisten könnten, nicht Seite an Seite zu stehen und gemeinsam in ihre Richtung zu ziehen. Gleichwohl ist absehbar, dass insbesondere die seit 1958 bestehende Struktur gemeinsamer Rechtewahrnehmung durch die VG Wort unmittelbar gefährdet ist, wenn die Politik nicht rasch und entschlossen agiert.