Buchmesse

»Zensur findet nicht statt«

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
In einem Statement zur Diskussion um den Ehrengast China betont Juergen Boos, dass es mit der Frankfurter Buchmesse keine Kompromisse zu Lasten der Meinungsfreiheit gebe. Das Statement des Buchmesse-Direktors im Wortlaut:
»Die Frage, ob die Buchmesse selbst der Zensur unterliegen könnte oder gar zensierend tätig ist, ist abwegig. Die Buchmesse ist ein Marktplatz der Freiheit, der durch seine Struktur mit rund 7.000 Verlagen, 2.900 Veranstaltungen und 10.000 Journalisten sicherstellt, dass Zensur nicht stattfindet.

Die Frankfurter Buchmesse ist nicht nur eine Plattform für den Ehrengast China, sie ist ein Podium für Autoren, Bücher und Verleger, für kontroverse Positionen aus allen Ländern. Die These, die der Ehrengast setzt, ruft eine ebenso starke Antithese hervor: In rund 250 Veranstaltungen wird das unabhängige, das andere China erfahrbar. Wir haben den in Paris lebenden chinesischen Literaturnobelpreisträger Gao Xingjian, der in China Publikationsverbot hat, in unser Internationales Zentrum eingeladen. Der in London lebende Lyriker Yang Lian wird mit Gao Xingjian über das Leben und Schreiben in zwei Kulturen sprechen. Eine weitere wichtige Veranstaltung ist die Diskussion über Meinungsfreiheit und Veröffentlichungsfreiheit am Beispiel Chinas, u.a. mit dem uigurischen P.E.N.-Präsidenten Abdulrusul ÖzHun, der in Schweden im Exil lebt, sowie der kritischen Literaturjournalistin Xu Xiao. Die Präsidentin des uigurischen Weltkongresses wird ebenfalls auf der Messe erwartet. Der Künstler Ai Weiwei wird da sein, ebenso wie die in London lebende Journalistin Xue Xinran. Autoren aus Hongkong – wie etwa Leung Ping-kwan – und aus Taiwan – wie Chang Ta-Chun – werden erwartet, das Thema Tibet wird in zahlreichen Veranstaltungen behandelt, nicht zuletzt in der Lesung am Messe-Sonntag unter dem Motto „Die verbotene Lesung" oder in der Diskussion „Tibet abgebloggt – Chinas Angst vor der Meinungsfreiheit" der Tibet-Initiative Deutschland, bei der auch der Abgesandte des Dalai Lama, Kelsang Gyaltsen, dabei sein wird. Das P.E.N.-Zentrum Deutschland wird in Halle 3.1 jeweils zur Mittagsstunde eine „chinesische Stunde" mit Autoren veranstalten, die dem Independent Chinese Center angehören. Bei dieser Veranstaltungsreihe geht es auch um Solidarität mit dem seit mehr als neun Monaten zu Unrecht inhaftierten Autoren Liu Xiaobo.

Das Symposium war ein Testlauf und hat klar gezeigt: Der Diskussionsbedarf zum Thema China ist enorm. Es hat mir persönlich nochmals deutlich gemacht: Die Frankfurter Buchmesse hat mit dem Ehrengast China eine Gratwanderung vor sich, die Standhaftigkeit erfordert. Wir wollen eine Plattform schaffen für die verschiedensten, auch extremen Standpunkte und so den Dialog ermöglichen. Das erzeugt Druck von allen Seiten, dem wir nicht nachgeben dürfen. Dieser Druck kann und soll Motor einer fruchtbaren öffentlichen Diskussion sein. Unser Ziel ist der Dialog sowohl mit dem offiziellen China, als auch mit chinesischen Autoren, Wissenschaftlern, Intellektuellen, aus China und aus dem Ausland. Wir begegnen Chinas Literatur und Kultur unvoreingenommen.

Das offizielle China sagte uns in der Person des ehemaligen Botschafters Mei Zhaorong auf dem Symposium: „Wir sind nicht gekommen, um uns über Demokratie belehren zu lassen." Demokratie und Meinungsfreiheit haben immer mit Reibung zu tun und der Eklat am Wochenende war nur der Anfang einer demokratischen Auseinandersetzung, die auf den Ehrengast China zukommt. Die Frankfurter Buchmesse bietet zwar keine Belehrung in Demokratie, aber sie ist gelebte Demokratie. Das sind die Spielregeln der Frankfurter Buchmesse.

Der Kompromiss unseres Projektleiters, mit den Autoren Dai Qing und Bei Ling zu sprechen und ihnen eine Alternative zum öffentlichen Auftritt auf dem Symposium nahe zu legen, war falsch. Dafür habe ich mich bei den Autoren und der Öffentlichkeit entschuldigt. Kompromisse zu Lasten der Meinungsfreiheit gibt es mit der Frankfurter Buchmesse nicht.

Den Dialog zu ermöglichen ist nicht einfach. Das war uns immer bewusst. Das Symposium hat dies bestätigt. Der Dialog ist jedoch der richtige und einzige Weg.«