Interview mit Libri-Geschäftsführer Eckhard Südmersen

"Der Zwischenbuchhandel ist für viele existenzsichernd"

2. Juli 2021
Christina Schulte

Steigende Logistikkosten, Gesetzestreue und die Nachwehen der Pandemie: Im Interview mit dem Börsenblatt plädiert Libri-Chef Eckhard Südmersen für mehr Solidarität in der Branchen.

Die letzten anderthalb Jahre waren für die Branche sehr herausfordernd. Wie ist Libri durch die Pandemie gekommen?
Unsere Bilanz ergibt ein gemischtes Bild. Bezüglich der Umsätze ist es uns sehr gut ergangen, denn das Geschäft der Buchhandlungen hatte sich durch die Schließungen mehr auf die Erfüllung individueller Kundenwünsche und ins Netz verlagert. Im März 2020 arbeiteten bei uns im Versand­service lediglich 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Weil die Bestellungen durch die Decke gingen und sich innerhalb eines Monats verzehnfacht hatten, mussten wir in kürzester Zeit auf 180 Personen erweitern. Es wurden zudem andere Titel in ganz anderen Mengen nachgefragt, als disponiert worden waren. Gleichzeitig fiel das stationäre Geschäft bei den Filialisten flach, die Verlagsbeischlüsse brachen ein, und die Transport­logistik war vollkommen unausgelastet. Hinzu kam die Unsicherheit weiterer Lockdowns und das damit verbundene »Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln«. Unter dem Strich waren die Kosten für all das exorbitant, sodass wir 2020 nur ein kleines Ergebnisplus erzielt haben. Bei dem, was wir alles auf die Beine gestellt haben, hätte gern noch mehr hängen bleiben können.

Hat Ihr Unternehmen staatliche Hilfen in Anspruch genommen? 
Nein, wir sind gar nicht auf die Idee gekommen, Hilfe zu beantragen, da unsere Geschäfte die ganze Zeit gelaufen sind. Staatliche Unterstützung hätten wir moralisch für verwerflich gehalten. Unser Inhaber, die Familie Herz, steht dem unabhängigen Buchhandel sehr nah und hat sich während der Pandemie stets erkundigt, wie es dem Sortiment gehe und was man für den Buchhandel tun könne. Die Familie hat den Buchhändlern und Buchhändlerinnen hohen Respekt für ihren großen Einsatz gezollt. Zur Unterstützung haben wir beispielsweise Rechnungen prolongiert, Print- und Onlinekampagnen zur Stärkung des Onlinegeschäfts erstellt und Expertise zur Kundengewinnung und -bindung via Social Media vermittelt.

Was haben Sie aus der Pandemie gelernt? 
Wir haben vor allem gesehen, wie wichtig professionelle Onlineshops für den Buchhandel sind und dass die verschiedenen Absatzkanäle noch enger verzahnt werden müssen. Vorantreiben wollen wir das unter anderem mit der Entwicklung unserer neuen Buchhandelsplattform Quimus. Sie wird, bereits von über 150 Kundinnen und Kunden genutzt und mit deren Unterstützung und Feedback agil weiterentwickelt. Die Plattform bietet beispielsweise eine intelligente Suche, mit der sich Thementische zusammenstellen lassen, ein Dashbord, das einen Überblick über Bestellungen etc. gibt, sowie eine verbesserte Warenwirtschaft. Zur Frankfurter Buchmesse wollen wir Quimus einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen.

Beim leidigen Thema Bücherwagendienst, das die drei Logistiker viel Geld kostet, herrscht nach wie vor Schweigen. Geht es gar nicht weiter mit den Kooperationsgesprächen?
Ich kann nur betonen, dass wir nach wie vor willens sind, zu kooperieren. Letztlich sehen wir auch Potenzial über die Branche hinaus, denn wir haben ein Alleinstellungsmerkmal: Welche Dienstleister erhalten sonst noch einen Schlüssel und den damit verbundenen Vertrauensvorschuss und liefern in einen nicht besetzten Laden? Das könnte durchaus auch für andere Branchen interessant sein.

Energiekosten wie der Dieselpreis werden in den nächsten Jahren noch weiter steigen – und damit auch die Transportkosten. Holen Sie sich das Geld bei Ihren Kundinnen und Kunden zurück?
Wir haben immer wieder dasselbe Problem. Ob das Personalkosten, Mieten oder Energiekosten sind – wenn wir keinen Gleichklang zwischen Kosten- und Umsatzentwicklung erzeugen können, kommt es zu einer Schieflage. Das treibt ja nicht nur uns als Logistiker, sondern die gesamte Branche um, da die Buchpreise einfach zu niedrig sind. Das ist der Hebel, den die Verlage betätigen sollten, statt sich beharrlich an alte Preisschwellen zu halten. Wir hätten eigentlich Anfang des Jahres unsere Gebühren erhöhen müssen, haben uns aber zurückgehalten vor dem Hintergrund der Pandemie und der wirtschaftlichen Lage der Buchhandlungen. Aber die Erhöhung wird irgendwann kommen müssen.

Das wird dann aber wiederum die Buchhandlungen belasten, die kaum Möglichkeiten haben, ihre Kosten weiter herunterzufahren …
Letzten Endes kann der Buchhandel und seine Logistik nur funktionieren, wenn wir beides als ein solidarisches System begreifen und auch danach handeln. Wenn allerdings jeder Marktteilnehmer versucht, das Bestmögliche für sich herauszuschlagen, die Verlage etwa die Zentrallager großer Filialisten direkt anfahren, dann haben wir ein Problem. Jeder optimiert sich selbst, aber dem Gesamtsystem werden relevante Mengen entzogen. Der Zwischenbuchhandel ist für viele Branchenteilnehmer ein existenzsicherndes System, das nur funktioniert, wenn man den Buchstaben des Gesetzes folgt. 

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