Streitereien über Rabatte ziehen sich mittlerweile durch die ganze Branche: Vergangene Woche wurde bekannt, dass Libri Diogenes ausgelistet hat, weil man sich bei den Konditionen nicht einig geworden war – Anfang dieser Woche war der Streit offenbar beigelegt. Gibt es solche Fälle auch bei Zeitfracht?
Raff: Letztlich geht es darum, dass jeder Marktteilnehmer eine auskömmliche Marge erwirtschaftet, mit der er seine Leistungen erbringen kann. Das gilt für uns als Zwischenhändler genauso wie für Verlage und Buchhandlungen. Manchmal wird unterschätzt, welche Leistungen der Großhandel insgesamt erbringt. Wenn wir ein Thema mit der Marge haben, sprechen wir mit den Lieferanten darüber und stellen dar, wie unsere auskömmliche Marge aussehen muss, damit wir unser Leistungsportfolio aufrechterhalten können. Ansonsten glauben wir, dass sich jeder Lieferant an das Preisbindungsgesetz hält und an die darin festgelegten Details und Paragrafen.
Glauben Sie das ernsthaft?
Raff: Es gibt es eine gesetzliche Regelung, und das Wichtigste ist, dass sie entsprechend gelebt wird. Dafür stehen wir ein. Allerdings muss die Preisbindung auch so ausgestaltet sein, dass sie konsequent durchsetzbar ist.
Simon-Schröter: Eine Margendiskussion kommt nur und ausschließlich dann auf, wenn die Kosten konträr zu den Erlösen laufen. Die Aufgabe eines Logistikers ist es, möglichst effizient seine Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Wenn wir unsere Erlössituation konstant halten können, heißt das für unsere Kund*innen, dass wir ihnen entsprechend kalkulierbare Wiederverkaufspreise anbieten können. Wenn ich also unsere Kosten vernünftig im Griff behalte, kann ich auch entsprechende Rabatte weitergeben und konstant halten. Wenn ich das aber nicht mache, sondern weiterhin zum Beispiel mit halbleeren Lkw durch die Gegend fahre, nicht in Technik und Systeme investiere, wird diese Diskussion verschärft. Wir brauchen dann viel mehr Marge, um all das zu bezahlen, und müssen an der Rabattschraube in Richtung stationärer Handel drehen. Genauso verhält es sich mit den Verlagen. Wenn sie kosteneffizient produzieren, können sie uns einen gewissen Rabattsatz überlassen und müssen keine Erhöhungen durchsetzen, sodass das System stabil bleibt.
Effizient und kostensparend wäre es, wenn die Barsortimente sich beim Bücherwagendienst zusammentun würden. Wie steht es damit?
Simon-Schröter: Bei der Belieferung des Handels gibt es noch Luft nach oben. Wir dürfen auch den Nachhaltigkeitsgedanken nicht aus den Augen verlieren, der momentan hinter den drängenden Problemen in der Pandemie zurückgetreten ist. Wie sieht eigentlich unser CO2-Fußabdruck aus, mit dem wir die Produkte künftig bei den Kund*innen abliefern wollen? Diese Frage müssen wir in der Post-Corona-Zeit beantworten und dafür jetzt schon die Weichen stellen. Es wäre sicherlich sinnvoll, Gespräche für einen gemeinsamen Bücherwagendienst wieder aufzunehmen.
In den vergangenen Monaten haben sich die Barsortimente nach der Decke gestreckt, um die Lieferkette aufrechtzuerhalten. Trotzdem gibt es immer wieder unzufriedene Kund*innen, die verspätete, unvollständige oder beschädigte Lieferungen beklagen. Was sagen Sie denen?
Simon-Schröter: Zu den üblichen saisonalen Herausforderungen kamen für alle Barsortimente die Corona-bedingten Einschränkungen und der damit verbundene erhöhte Aufwand und auch Zeitverzögerungen. Wir verstehen es, wenn sich unsere Kund*innen ärgern, dass eine Lieferung länger dauert oder eine Kiste fehlt. Uns ärgert jede Kiste, die nicht pünktlich ankommt. Gerade im Lockdown herrscht eine besondere Situation, die uns gemeinsam vor große Herausforderungen stellt. Aber oft wird zu viel über die 20 fehlerhaften und zu wenig über die 1,2 Millionen reibungslosen Lieferungen gesprochen.
Seit gut vier Wochen ist die Branche im zweiten Lockdown. Wie lautet Ihre Zwischenbilanz?
Raff: Wir sehen im Moment beim Barsortiment und in der Verlagsauslieferung eine gewisse Verschiebung: Es wird weniger direkt disponiert. Das ist nachvollziehbar, weil Unsicherheit herrscht, wann die Läden wieder öffnen. Aus Liquiditätsgründen ist es für viele Buchhandlungen im Moment einfacher, beim Großhändler zu ordern. Gleichzeitig gibt es auch im Januar eine Kanalverschiebung vom stationären Buchhandel hin zum E-Commerce. Im Vergleich zum Januar 2020 haben wir bisher einen vier Mal so hohen E-Commerce-Anteil. Der erste Lockdown hat dazu geführt, dass viele unabhängige Buchhandlungen die Chance genutzt haben, um den E-Commerce herauszustellen, ihre Shops bekannt zu machen und die Kundenbindung zu vertiefen. Das zahlt sich jetzt aus. Beim E-Commerce und bei Click & Collect sind die Buchhandlungen auch dank der Leistungen aller Barsortimente in der Lage, ganz andere Leistungen zu erbringen als die meisten anderen Einzelhandelsbranchen.
Das Corona-Jahr 2020 endet für viele Unternehmen mit deutlichen Umsatz- und Ergebniseinbußen. Auch für Zeitfracht?
Simon-Schröter: Wenn man sich die Rahmenbedingungen anschaut, sind wir aus Gesellschaftersicht zufrieden mit dem Ergebnis. Es ist sicherlich belastet durch Sonderfaktoren wie die Corona-Prävention, aber wir haben auch im mittleren siebenstelligen Bereich in Technik investiert. Das wird sich erst in den nächsten Jahren amortisieren. Unter dem Strich bleibt ein zufriedenstellendes Ergebnis, es ist positiv und liegt voll im Plan.
Ihre Verlagsauslieferung hat mit der Deutschen Bibelgesellschaft und Springer Nature wichtige Kunden verloren. Wie kompensieren Sie das?
Raff: Die Kundensituation in der Verlagsauslieferung ist stabil, wir hatten im vergangenen Oktober den stärksten Monat, seit es die Verlagsauslieferung gibt. Das zeigt, dass wir gute Verlagskunden mit tollen Titeln haben. Manchmal gibt es jedoch auch Verhandlungen, bei denen wir sagen: »Man muss nicht jede Erwartungshaltung erfüllen.« Da sind wir vielleicht anders unterwegs als andere Auslieferungen. Wir wollen eine gute Leistung und einen guten Preis am Markt bieten. Aber nicht um jeden Preis.
Und mit der Namensänderung von KNV jetzt in Zeitfracht ist dieser Neuanfang ganz vollzogen worden. Zeitfracht hat eine ganz andere Unternehmensphilosophie wie KNV und somit eine effiziente Ausrichtung.
Zudem ist es richtig, dass Zeitfracht noch andere Firmen sozusagen in sein Boot genommen hat, um die Fläche dieses sehr großen Logistikzentrums in Erfurt auszulasten.
Besonders jetzt in dieser schwierigen Zeit und Phase der Corona-Pandemie ist es notwendig, dass Zeitfracht sehr gut aufgestellt ist und auch seine weiteren Zielsetzungen auf einer breiten Ebene verfolgen kann.
Herr Thomas Raff, Mitglied der Geschäftsführung von Zeitfracht, betont auch in diesem Interview die Einhaltung der Preisbindung bei Büchern. Und dies sollte konsequent durchgeführt werden.
Der Buchhandel und die Verlage müssen sich also an die ausgehandelten Regeln halten, was eben bestimmte Bereiche betrifft und da gehört die Preisbindung für Bücher dazu.
Die Firma Zeitfracht ist weiter offen für das Marktgeschehen. Aber sie weiß und kennt zudem ihre unternehmerische Grenzen.
Deshalb ist es auch nur von Vorteil, wenn man sich der Firma Zeitfracht mit Vertrauen öffnet, denn diese beobachtet sehr genau die Lage der Buchbranche in Deutschland.
Nur gemeinsam können bestimmte Lösungen für den Buchhandel auch bei der Firma Zeifracht angegangen werden.
Harald Kraft