Wolfgang Schivelbusch, geboren am 26. November 1941 in Berlin, war ein "Meister kulturgeschichtlicher Forschung", wie "Die Zeit" schrieb. In seinen Werken vermittelte der Publizist und Historiker einen neuen Blick auf die mentalitätsgeschichtlichen Konstellationen des 20. Jahrhunderts, so der Rowohlt Verlag in seinem Nachruf.
Nach einem Studium der Literaturwissenschaften, Soziologie und Philosophie in Frankfurt am Main und Berlin, wo er unter anderem Theodor W. Adorno und Peter Szondi zu seinen Lehrern zählte, und einer Dissertation bei dem Literaturwissenschaftler Hans Mayer habe Schivelbusch, wie er es selbst nannte, eine "Laufbahn als Privatgelehrter" eingeschlagen. "Ungehindert von akademischen Zwängen fand er die Freiheit, denkend und forschend neue Wege zu gehen. So verband er einen einzigartigen Weitblick mit dem Mut zur These."
In seiner "Geschichte der Eisenbahnreise" (1977), ausgezeichnet 1978 mit dem Deutschen Sachbuchpreis, verband er Technikgeschichte, Soziologie und Psychoanalyse, um zu zeigen, wie das neue Verkehrsmittel eine eigene Ordnung von Raum und Zeit etablierte. Sein Werk "Die Kultur der Niederlage" (2003), das an verschiedenen Beispielen die Erzählungen und Mythen der im Krieg Besiegten aufzeigt, gilt als Standardwerk.
Für seine Forschung wie für sein Schreiben wurde Schivelbusch mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste zu Berlin, dem Wissenschaftspreis der Aby-Warburg-Stiftung und mit dem Lessing-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg.
Bei Rowohlt erschien zuletzt der Erinnerungsband "Die andere Seite. Leben und Forschen zwischen New York und Berlin" (2021). Schivelbusch erzählt darin von seinem Leben zwischen Alter und Neuer Welt und von einem Denken, das nicht zuletzt aus dem damit verbundenen Perspektivwechsel seine Spannung und Kraft bezog.
"Dieses reiche Leben und dieser einzigartige Denkweg sind nun an ein Ende gelangt", trauert der Rowohlt Verlag.