Wie sieht Ihre Bilanz nach über 30 Jahren aus?
Höchst erfreulich. Wir haben uns ein Jahr nach der Neugründung im Dezember 1989 in einer gesamtdeutschen Verlagslandschaft wiedergefunden und uns dort behauptet. Als reiner Sachbuchverlag haben wir uns ganz auf zeitgeschichtliche und politische Titel konzentriert – was durchaus ein Risiko war. Üblicherweise kombinieren Publikumsverlage das Sachbuch mit der auflagenstärkeren Belletristik. Im Laufe der Jahre haben wir unser Programm erweitert und ein breites Themenfeld bedient. Unsere Bücher haben sich auch in Österreich und in der Schweiz gut verkauft, und wir konnten all die Jahre hindurch kostendeckend arbeiten. Jetzt wird der Verlag in stabilen Verhältnissen bei Aufbau weitergeführt.
Da schließt sich ein Kreis, denn Ihre Verlagskarriere begann 1986 als Assistent von Elmar Faber im Aufbau Verlag …
Ja, es ist ein Stück Heimkehr auf Umwegen. Als ich damals bei Aufbau ein Sachbuchprogramm initiieren wollte, fand ich keine Unterstützung, weshalb ich dann allein loslegte. Heute ist das zum Glück anders. Die Aufbau-Gruppe will im Sachbuch wachsen, und wir haben dafür ein gutes junges Team.
Ihr Buch über das "Schicksal der DDR-Verlage" hat gezeigt, wie Systemwechsel und Privatisierung zur Abwicklung fast eines ganzen Wirtschaftszweigs geführt haben. Wie sehen Sie das heute?
Die Verwerfungen, zu denen es nach der Wende in der DDR-Wirtschaft kam, sind nun endlich auch im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Nach 30 Jahren Sperrfrist kann man jetzt in den Archiven die Akten einsehen, auch diejenigen, die die Treuhand betreffen. Als ich meine Dissertation 2006/2007 schrieb, war mir dieser Zugang noch verwehrt. Man kann durchaus sagen, dass bei dem Vereinigungsprozess nicht alles gut gelaufen ist. Ich finde es gut, dass jetzt darüber diskutiert wird. Wir haben im August ein "Jahrbuch Deutsche Einheit" gestartet, in dem Historiker nun regelmäßig über neue Erkenntnisse berichten. Das wird sicherlich zu einer besseren öffentlichen Wahrnehmung der angestauten Probleme beitragen.
Was hat sich denn seit 1990 im Osten getan? Gibt es namhafte Verlagsneugründungen?
Es sind viele neue, vornehmlich kleinere Verlage entstanden, von denen sich einige gut behaupten und entwickeln. Traurig ist dagegen, dass nur wenige der alten Verlage überleben konnten. Das hätte so nicht sein müssen, wie ich belegen konnte. Als Mitglied der Historischen Kommission des Börsenvereins arbeite ich diese Vorgänge verlagshistorisch weiter auf. 2021 soll der erste Teilband zur DDR-Buchgeschichte vollendet werden, den ich gemeinsam mit Siegfried Lokatis und Klaus G. Saur herausgebe. Mehr als 40 Beiträge beschäftigen sich darin mit den Verlagen in der DDR und deren kulturpolitischem Umfeld. Nachdem ich meinen Verlegerschreibtisch Ende 2020 geräumt habe, kann ich mich dem Thema nun verstärkt zuwenden. Band 2 ist dann den Buchhandlungen und Bibliotheken gewidmet. Dazu gesellt sich noch ein privates Projekt von mir über die verschwundenen Verlage der DDR. Was heute kaum bekannt ist: In den 40 Jahren seit der Staatsgründung sind 120 bis 150 Verlage abgewandert oder geschlossen bzw. fusioniert worden. Was waren die Gründe dafür? Und an wen gingen die Rechte? Die Frage der "verwaisten" Werke ist für Digitalanbieter und Bibliotheken sehr wichtig. Jetzt habe ich die Zeit, um in den entsprechenden Regionalarchiven nachzuforschen.