Interview mit Kirsten Boie

"Würde Putin vor Kinderbüchern erschrecken?"

3. August 2022
Sabine Cronau

Kirsten Boies Buch "Der kleine Ritter Trenk" wurde gerade in Russische übersetzt. Trotz und gerade wegen des Kriegs in der Ukraine. Warum, erläutert die Kinderbuchautorin hier im Interview.

Sie haben auf Instagram gepostet, dass Sie sich über die russische Übersetzung Ihres Kinderbuchs »Der kleine Ritter Trenk« freuen. Warum ist das für Sie etwas Besonderes?
Bücher vermitteln Haltungen, politische und gesellschaftliche Überzeugungen – deshalb werden in autokratisch regierten Staaten erfahrungsgemäß häufig Bücher aus Ländern, zu denen man sich im Gegensatz befindet, verboten. (In Deutschland wissen wir das aus dem Nationalsozialismus: Die spannende Literatur der restlichen Welt konnte bei uns zwölf Jahre lang nicht erscheinen; was es schon gab, wurde verboten, zum Teil sogar verbrannt.) Es hat mich also sehr gefreut, dass in der jetzigen Situation eins meiner Bücher in Russland erscheinen konnte, zumal der Eindruck von Büchern ja gerade bei Kindern oft ein Leben lang weiterwirkt.

Haben Sie mit Blick auf die Sanktionen kurz daran gedacht, die Übersetzung abzulehnen?
Meine Agentur hat gleich zu Beginn der Sanktionen bei mir angefragt, ob ich das wollte, weil sich andere Autor:innen für eine solche Haltung entschieden hatten. Aber: nein! Gerade in dieser Situation nicht. Ich freue mich doch, wenn, vielleicht ein bisschen dramatisch formuliert, meine Überzeugungen, wie sie sich in diesem Buch spiegeln, zu den Kindern in Russland gelangen! Und das Gegenargument, dadurch würden ja trotzdem Einnahmen in Russland generiert und damit die russische Wirtschaft gestärkt, was doch durch Sanktionen verhindert werden sollte: Wie hoch sind denn diese Einnahmen? Wie sehr würde Putin erschrecken, wenn keine deutschen Kinder­bücher mehr in Russland erscheinen würden, noch bevor er sie selbst verbieten kann? Wie groß ist denn die wirtschaftliche Bedeutung von Kinderbuchverlagen für ein Land? Wir sehen es doch in Deutschland: Während etwa Pharma- oder Automobilkonzerne deutlich Einfluss auf die Politik nehmen können, sind die Chancen für Verlage da leider gering: Sonst wäre, etwa im Hinblick auf die Lesekompetenz von Kindern und damit ihre Bildungschancen, ja schon sehr viel mehr passiert. Ich würde mich – in dieser Hinsicht! – also nicht überschätzen und freue mich stattdessen, wenn kultureller Austausch noch möglich ist. 

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