Blickpunkt Italienische Literatur

"Pasolini war der Türöffner"

24. Juni 2024
Stefan Hauck

Italien ist Gastland der Frankfurter Buchmesse – höchste Zeit, um über italienische Literatur zu reden. Also auf nach Berlin, zum Verlag mit den meisten italienischen Autoren: ein Gespräch mit Wagenbach-Verlegerin Susanne Schüssler.

Mit einer besonderen italienischen Zitronensorte: Wagenbach-Verlegerin Susanne Schüssler.

Welche Trends sehen Sie in der aktuellen italienischen Literatur?

Nach wie vor findet sich viel autofiktionales Schreiben, Ich-bezogene Literatur, Selbstbespiegelung über die privaten Sorgen und Nöte. Neuerlich gibt es wieder verstärkt eine Auseinandersetzung mit der italienischen Geschichte, mit Kolonialismus und Faschismus. Und Autoren fragen sich, was es heißt, dass eine ganze Generation in ihrer Jugend nie etwas anderes erlebt hat als Berlusconi-Regierungen? Die 35-jährige Autorin Giulia Caminito etwa lotet in ihrem Roman "Das Wasser des Sees ist niemals süß" aus, wie man mit dieser Enge umgeht: Es gibt keine Aufstiegschancen, kein Entkommen aus der Klasse, in die man hineingeboren wurde. Hart und beeindruckend.

Welche Schriftsteller empfehlen Sie als Einstiegslektüre?

In der Anthologie "Mein Italien, kreuz und quer" von Klaus Wagenbach entführen Schriftsteller in ihre Regionen, zum Beispiel Andrea Camilleri nach Sizilien, Giorgio Manganelli zeigt uns die Uffizien, mit Giuseppe Marotta essen wir Spaghetti in Neapel usw. Mit Blick auf einzelne Romane würde ich Francesca Melandris "Eva schläft" empfehlen, in dem der Konflikt Südtirols zwischen Italien und Deutschland literarisch raffiniert abgebildet wird. Oder der soeben auf Deutsch erschienene, mit dem Premio Strega ausgezeichnete Roman "Spatriati" von Mario Desiati, der in Apulien und Berlin angesiedelt ist. Welche Sehnsüchte haben die junger Italiener heute? Wie überall wollen sie weg aus der Enge der Heimat, besonders der ländlichen Region. Interessant: In Italien sind die Wurzeln so stark, dass man oft irgendwann wieder zurückkehrt.

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