Sie befürchten, dass es kleinere Verlage, die eher auf Unterhaltung setzen, bald nicht mehr geben wird. Eine steile These.
Thoms: Wir haben online Amazon, der immer mehr auf Selfpublishing setzt. Und offline laufen rund 40 Prozent des Sortimentsbuchhandels über Thalia; die Kette arbeitet aber überregional nicht mit kleinen Indies zusammen. Im Bereich der anderen 60 Prozent sehen wir viele Sortimente, die aus Altersgründen oder wegen fehlender Nachfolgelösungen nach und nach schließen. Wenn wir weder online noch offline mit unseren Büchern vorkommen, wird es uns kleinere Verlage schon sehr bald nicht mehr geben. Förderung und Preise gehen aktuell ausschließlich an "E-Literatur-Verlage", die auf diese Weise zumindest ihre Grundkosten sichern. "U-Literatur-Verlage" kommen in diesem Preis- und Fördersystem nicht vor.
Die Unterscheidung erscheint mir nicht unproblematisch, aber bleiben wir dabei, ich glaube, ich weiß, was Sie meinen – wobei es derzeit auch bei vielen der von Ihnen "E-Literatur-Verlage" genannten Häuser lautstark knirscht. Herr Bedey, Sie sind im Sprecherkreis der Interessengemeinschaft unabhängiger Verlage, die bei ihrer letzten Jahrestagung die Losung "We are strong together if we work together" ausgegeben hat. Wo brennt es denn nach Ansicht Ihrer Mitglieder am lichterlohsten?
Bedey: Es brennt überall, vieles ist aber schon abgefackelt. Irgendwann ist ein Brand halt vorbei; da stellt sich die Frage nur noch historisch. Es ist eine Mixtur aus viel zu vielem: Es sind nach wie vor die Kostenstrukturen. Die Ladenverkaufspreise der Bücher wurden insgesamt erhöht, wobei die kleineren Häuser im Verhältnis oft schon deutlich höhere Preise aufgerufen haben als die großen. Aber das ist endlich: Ein Paperback für 32 Euro kauft keiner. Die 20-Euro-Grenze ist nachhaltig geknackt, das reicht aber nicht, um den Kostendruck aufzufangen. Des Weiteren fehlt, wie Sandra Thoms schon skizzierte, die Sichtbarkeit. Es bleiben fast nur noch kleine Messen übrig, jenseits von kuratierten Klassikern wie "Kleine Verlage am Großen Wannsee", die "Buchlust" in Hannover und "Andere Bücher" in München, auf denen fast ausschließlich die in der Kurt Wolff Stiftung (KWS) assoziierten Verlage ausstellen. Und zudem haben sich die von der Politik gesteckten rechtlichen Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren stetig verschlechtert: die Auswirkungen des VG Wort-Urteils, die abgeschafften Büchersendungen, die für die Großen nie Thema, aber für die Kleinen extrem wichtig waren. Dazu Bürokratiemonster wie die Datenschutzgrundverordnung und das Lieferkettenfolgegesetz. Und wenn ich sehe, dass Unternehmen wie Amazon indirekt vom Staat subventioniert werden, weil sie unsere Autobahnen als Außenlager benutzen und kaum Steuern zahlen, stehen mir die Haare zu Berge.