75 Jahre Grundgesetz

Gute Konstitution

23. Mai 2024
Michael Roesler-Graichen

75 Jahre Grundgesetz sind ein Anlass zum Feiern, gerade in politisch schwierigen Zeiten. Für Jurist:innen und interessierte Laien gibt es zahlreiche Kommentare und Einführungen.

Garant für eine freiheitliche Grundordnung: das Grundgesetz.

Wie aus einem Provisorium die womöglich beste Verfassung der Welt wurde, lässt sich in zahlreichen Publikationen zum 75. ­Geburtstag des Grundgesetzes nach­lesen. Maßgeblichen Anteil am Erfolg dieser Grundordnung des deutschen Rechts- und Staatssystems hat das erst 1951 gegründete Bundesverfassungsgericht, das oberstes Bundesgericht und Verfassungsorgan zugleich ist. Den Müttern und Vätern des Grundgesetzes kam es nach den Erfahrungen mit der Weimarer Republik und dem ­Nationalsozialismus darauf an, eine (­vorläufige) Verfassung zu schaffen, die sich als resilient und krisenfest erweisen und nicht per Mehrheitsbeschluss aus ihren Angeln gehoben werden kann.

Mit dem Erstarken antidemokratischer Kräfte, auch im Bundestag, werden jetzt allerdings Schwachstellen des Grundgesetzes erkennbar, gerade im Hinblick auf das Bundesverfassungsgericht. Denn sollte es eine sehr starke rechte Opposition im ­Bundestag geben, könnte die Wahl der Verfassungsrichter:innen womöglich in ihrem Sinne beeinflusst werden. Derzeit beraten die Regierungsfraktionen und die Union darüber, wie eine Stärkung des ­obersten deutschen Gerichts aussehen könnte. Gedacht ist an eine Verankerung der Regelungen zum Bundesverfassungsgericht im Grundgesetz selbst. Bisher ist dies nur durch ein einfaches Gesetz, das Bundes­verfassungsgerichtsgesetz, geregelt. Theoretisch könnte das Gesetz mit der absoluten Mehrheit der Stimmen verändert oder sogar abgeschafft werden. Bei einer Verankerung im Grundgesetz wäre dafür hingegen eine Zweidrittelmehrheit notwendig – mit der auch die jetzt geplante Änderung durchgesetzt werden müsste. Käme diese aber nicht zustande und würde ein künftiger Bundestag das Gesetz abschaffen, dann wäre nicht nur ein Verfassungsorgan seiner legalen Grundlage beraubt, sondern auch die Unabhängigkeit der Justiz in unmittelbarer Gefahr. Die Justiz aber ist immer einer der Hebel, an dem illiberale oder autokratische Kräfte ansetzen, um die Rechtsordnung zu durchlöchern oder langfristig zu zerstören, wie die ­Beispiele Polen und Ungarn lehren. 

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