Erste Fälle
In diesem Frühjahr feiern einige ungewöhnliche Ermittler*innen Premiere – darunter eine pensionierte Fleischereifachverkäuferin. Vier Beispiele.
In diesem Frühjahr feiern einige ungewöhnliche Ermittler*innen Premiere – darunter eine pensionierte Fleischereifachverkäuferin. Vier Beispiele.
Es ist der erste Fall für Carabiniere De Stefani und der allererste Fall überhaupt für den Eisele Verlag, der mit »Die Theologie des Wildschweins« (was für ein Titel!) von Gesuino Némus das Spannungsterrain betritt (Mai, ca. 228 S., 16 Euro). Der 1958 im sardischen Dorf Jerzu geborene und heute in Mailand lebende Autor setzt mit seinem humorvoll erzählten Debüt seiner Heimat ein Denkmal. In dem Bergdorf Telévras verschwindet ein Bewohner, der wenig später ermordet aufgefunden wird. Bevor er den Fall überhaupt lösen kann, muss der aus dem Piemont stammende Carabiniere erst das Dickicht der lokalen Geheimnisse durchdringen. Dabei geht ihm der bestens vernetzte Pfarrer Don Cossu zur Hand; er begleitet De Stefani auch bei der meist erfolglosen Wildschweinjagd. Némus, der mit richtigem Namen Matteo Locci heißt, vermittelt den Leser*innen ein authentisches Bild Sardiniens, bis in die Sprache hinein. »Némus« bedeutet im Sardischen übrigens »Niemand«.
Wenn ein neuer Ermittler die Krimiszene betritt, dann sollte er sich aus Sicht des Autors, aber auch des Verlags, durch besondere Eigenschaften auszeichnen. Es muss ja das Interesse eines Publikums geweckt werden, das ohnehin schon die Wahl zwischen den schillerndsten und ausgefallensten Ermittlerfiguren hat. Der Hamburger Autor Eberhard Michaely, der auch als Busfahrer für die Hamburger Hochbahn tätig ist, hat mit der pensionierten Fleischereifachverkäuferin Frau Helbing eine Figur erschaffen, der man nichts vormachen kann (»Frau Helbing und der tote Fagottist«, Oktopus, 240 S., 14,90 Euro). Sie versteht es, mit allen Arten von Schlachtermessern umzugehen, schließlich hat sie mit ihrem verstorbenen Mann Hermann 40 Jahre lang eine Fleischerei geführt. Mit dem Verbrechen kennt sie sich ebenfalls aus, instruiert durch die Abertausenden von Druckseiten, die sie regelmäßig verschlingt. Nun hat sie ihren ersten Fall: Der bekannte Fagottist Henning von Pohl aus dem dritten Stock ist tot, angeblich einem allergischen Schock nach drei Wespenstichen erlegen. Unsinn, meint Frau Helbing, und macht sich auf die Suche nach dem Täter – etwas, was der für den Fall zuständigen Kommissarin Schneider gar nicht schmeckt. Sehr unterhaltsam und komisch.
Mit Marc Voltenauers Debüt »Das Licht in dir ist Dunkelheit« (Emons, März, 448 S., 18 Euro) erkunden Krimifans ein Bergdorf, in dem Kommissar Andreas Auer von der Kriminalpolizei Lausanne einen grauenvollen Mord aufzuklären hat. In der Kirche wird eine Leiche aufgefunden, die wie der Gekreuzigte in Szene gesetzt ist. Es bleibt nicht die einzige Tat, die religiöse Ikonografie bedient. Der Täter, so scheint es, versteht sich offenbar als Hand Gottes. Auf den in Frankreich und der Romandie erfolgreichen Roman sind bereits weitere gefolgt, in denen Andreas Auer neue Fälle löst.
Neuland betritt Kampa mit »Der Hotelinspektor« von Henry Sutton (März, ca. 256 S., ca. 16,90 Euro). Der englische Autor hat mit Ben Martin einen Helden ersonnen, der im Auftrag einer internationalen Hotelkette alle Destinationen überprüft, inkognito natürlich. Sein Hauptaugenmerk: perfekter Service. Wenn dann plötzlich eine Leiche am Strand liegt, wie vor dem Hotel Pin d’Or auf Mallorca, schrillen die inneren Alarmglocken. Der Inspektor geht seinem Job weiter nach, behält aber einige Verdächtige diskret im Auge. Fortsetzung folgt bestimmt. Ein Trost für alle, die ihre Fernreise stornieren müssen.
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