Digitale Transformation in Fachverlagen

Die KI ist gelandet

6. Mai 2024
von Michael Roesler-Graichen

Fachinformation im Wandel: Digitale Werkzeuge und KI-Tools helfen dabei, Herausforderungen von heute zu meistern. Ein beispielhafter Blick auf Thieme und Wolters Kluwer.

Was Fachverlage seit jeher tun: ihre Kunden mit der Information zu unterstützen, die sie für Entscheidungs- und Arbeitsprozesse auf ihrem jeweiligen Fachgebiet benötigen. Die Digitalisierung der Inhalte und die Möglichkeit, den Fachcontent in digitale Systeme einzuspeisen, haben die Möglichkeit eröffnet, die professionellen Anwender unmittelbar in ihrer Arbeitsumgebung mit der ­nötigen Information zu versorgen und diese in die Arbeitsabläufe zu integrieren. Digitale Lösungen helfen zudem dabei, die Arbeit selbst leichter zu organisieren und bestimmte Schritte zu automatisieren.

Durch den Einsatz von (generativer) KI hat dieser Transformationsprozess eine zusätzliche, in ihrer Größenordnung noch schwer einschätzbare Dynamik entwickelt. Diese forciert die strategische Neuausrichtung in den Fachmedienhäusern und verändert die Rahmenbedingungen für Business Development und Geschäftsmodelle. 

Digitale Lösungen für Lehre und Praxis

Aus dem Fach- und Wissenschaftsverlag hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein international agierender Anbieter für medizinische und chemische Fachinformation und ein digitaler Gesundheitsdienstleister entwickelt, der zahlreiche Zielgruppen in ihrem Alltag unterstützt. Neben Ärzt:innen und Medizinstudierenden sind das auch Pflegekräfte, Veterinärmediziner:innen,  Chemiker:innen und Patient:innen.

Digitale Produkte und Plattformen gehören für die Zielgruppe der Medizinstudierenden und Auszubildenden in Pflege und Geburtshilfe längst zum Alltag. Das klassische Lehrbuch hat zwar noch nicht ausgedient, verliert aber an Bedeutung. »Das Buch befindet sich in den Ausbildungsmärkten im Sinkflug«, sagt Martin Spencker, Geschäftsführer Products & Solutions der Thieme Gruppe. »Unsere Strategie ist, dass es uns gelingt, nicht nur Content in Learning-­Management-Systeme der Universitäten einzuspeisen, sondern die Lernerfahrung auf unserer eigenen Benutzeroberfläche zu bedienen – mit Funktionalitäten, die das Lernen unterstützen.«

Technologie, so Spencker, spiele eine immer wichtigere Rolle – auch weil es für ein global operierendes Unternehmen wie Thieme wichtig ist, den eigenen Content möglichst flächendeckend zur Verfügung zu stellen. »Technologien bieten uns die Möglichkeit, unsere Angebote passgenau für unterschiedliche Märkte nutzbar zu machen. Das ist umso wichtiger, als starke Wettbewerber wie Amboss ihre Medizin-Lernplattform auch in Indien und den USA etablieren.« Technologie ist auch der entscheidende Hebel bei der intelligenten Suche nach Fachinformationen, die in prozessführende Systeme – also Diagnose-, Praxis- und Dokumentations­systeme – kontextsensitiv eingespielt werden können. »Dabei spielt KI jetzt schon eine Riesenrolle«, so Spencker.

Erst kürzlich hat Thieme sich am Wiener Healthtech-Unternehmen XUND beteiligt, um die schon bestehende Zusammenarbeit auszubauen. Ziel ist es, auf der Basis der KI-Technologie von XUND und der medizinischen Fachinformation von Thieme ein Instrument zu entwickeln, das zur Diagnosestellung, Therapiewahl und Patienten­kommunikation eingesetzt werden kann. In einem zweiten Schritt soll es als medizinisches Produkt zertifiziert werden. »Ein verlässliches Produkt ist dann erreicht, wenn die KI unter gleichen Bedingungen auch immer das gleiche Ergebnis erzeugt«, so Spencker. Thieme hat kürzlich die Beta­version eines KI-Assistenten gelauncht, der die bisherige Suche in Datenbanken  unterstützen soll. Auf eine Frage, die ein Nutzer in natürlicher Sprache stellt, erfolgt eine natürlichsprachliche Antwort durch den digitalen Assistenten. Jedes Ergebnis ist zudem mit einem Quellenhinweis verknüpft.

Insgesamt, erläutert Spencker, orientiert sich die Produktentwicklung in der Thieme Gruppe heute konsequent an Use Cases der Zielgruppen in der Medizin und in der Pflege. »Die Frage, die im Vordergrund steht, ist: Welche Technologie benötige ich, um den Use Case optimal zu bedienen?«, sagt ­Spencker. Thieme verfüge über die kritische Größe, um die Transformation hinzubekommen – sowohl im Hinblick auf Marktanteile und Marktzugänge als auch auf die notwendigen Investitionen in die Geschäftsmodelle. »Am wichtigsten ist aber die kulturelle Transformation, also die Entwicklung zu einem partizipativen Führungsmodell, in dem Kompetenz vor Hierarchie geht – und das gelingt uns hervorragend«, so Spencker weiter. 
 

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