Die Chemie stimmt
Michael Neugebauer hat seinen Verlag an die chinesische Thinkingdom Media Group veräußert. Im Gespräch verrät er die Hintergründe.
Michael Neugebauer hat seinen Verlag an die chinesische Thinkingdom Media Group veräußert. Im Gespräch verrät er die Hintergründe.
Normalerweise leben Sie in Hongkong und pendeln zwischen China, Japan, USA und Europa – und auch wenn inzwischen sehr vieles digital möglich ist: Was geht nicht so gut?
Das Zwischenmenschliche fehlt mir am meisten, gerade die kleinen, freundschaftlichen Begegnungen sind mir sehr wichtig. Ich gehe gerne in Ateliers zu Künstlern, entdecke Interessantes in Ausstellungen, bespreche Dinge lieber an Ort und Stelle und lasse mich durch die vielen multikulturellen Eindrücke inspirieren. Das fällt leider durch die derzeitigen Reise- und Kontaktbeschränkungen weg. Auch wenn das digitale Arbeiten sehr effizient geworden ist: Manches funktioniert eben nicht so gut, wie sollte man zum Beispiel eine Druckabstimmung machen, ohne in der Druckerei zu sein oder Qualitätskontrollen an Ort und Stelle durchführen?
Sie gelten als Verleger, der in puncto Qualität keine Kompromisse eingehen und auch das Heft des Handelns nicht aus der Hand geben möchte. Warum haben Sie Ihren Verlag veräußert?
Mit zunehmendem Alter habe ich mehr darüber nachgedacht und mir gewünscht, dass das, was ich aufgebaut habe, auch in meinem Sinne einmal weitergeführt wird. Also habe ich Interessenten gesucht, die meinen Ansichten und Ansprüchen nahe kamen. Minedition hat eine Firmenphilosophie dessen Kernaussage lautet: „gute Texte und Ideen zu finden und daraus schön illustrierte und gestaltete Bücher zu kreieren und zu veröffentlichen, die langlebig sind und die Erfahrungen der Kinder sowie ihre Herzen und ihren Verstand erweitern und ihnen Türen zu Kulturen und Orten öffnen, die sie vielleicht noch nicht kennen. Wir glauben, dass solche Bücher nicht nur Kindern helfen, eine tiefere Wertschätzung für Sprache und Kunst zu entwickeln, sondern auch das Bewusstsein für ein besseres Verständnis für die multikulturelle Welt fördern, in der wir leben.“
Weshalb haben Sie sich für die Thinkingdom Media Group als Partner entschieden?
Die Chemie stimmte einfach. Vor einigen Jahren traf ich den Gründer Chen Mingjun. Er war früher Buchhändler und liebt Bücher, das fühlte ich von Anfang an. Zudem hat er zwei große Buchhandlungen im Herzen von Peking die mich sehr beeindruckt haben. Viele verlegerische Ansichten teilen wir, er schaut nicht nur auf nackte Zahlen, sondern auf Qualität und Inhalte. Die Gruppe schätzt, was wir aufgebaut haben und fördert neue Ideen und Entwicklungen in dieser Richtung. Und wir wollen in diesem Sinne weiter expandieren.
Wie will Minedition wachsen?
Zum einen suchen wir talentierte junge Lekto*rinnen und Programmmacher*innen, die Ideen und Lust darauf haben, neue Projekte zusammen mit unserem so motivierten internationalen „Editorial Team“ zu entwickeln. Zum anderen suchen wir zu uns passende Kinderbuchverlage zu übernehmen oder als Kooperationspartner zu gewinnen.
Minedition hat sich in seiner Struktur neu aufgestellt – warum?
Als Uwe Achterberg in Rente gegangen ist, haben wir überlegt die Michael Neugebauer Edition GmbH mit dem Standort im Norden Deutschlands aufzulösen: Die Minedition rights and licensing AG in Zürich hat ja als Rechteinhaberin seit meinem Neubeginn 2004 existiert – also fanden wir es sinnvoll, dort unseren europäischen Hauptsitz zu etablieren. Dazu haben wir ein Vertriebsbüro für den deutschsprachigen Markt in München eröffnet. Minedition FR (France) bleibt in Paris, in den USA ist Minedition US jetzt ein Imprint des Astra Publishing House, das ebenfalls zur Thinkingdom Media Gruppe gehört. Das Herstellungs- und Entwicklungsbüro in Hongkong wird weiter ausgebaut und soll zusätzliche Produktionsaufgaben übernehmen. Koproduktionen mit anderen Verlagen waren seit jeher Teil unserer Aktivitäten.
Wie wichtig ist der asiatische Buchmarkt?
Sehr! Es ist kaum denkbar, große Erfolge zu erzielen ohne den wachsenden asiatischen Markt zu bedienen. Da reden wir bei einzelnen Titeln von mehreren hunderttausend Exemplaren, das sind nicht nur wichtige Tantiemen-Einnahmen. Es ist auch ein Teil unserer Philosophie, Projekte auszutauschen und Bücher aus diesen Ländern bei uns zu verlegen.
Minedition hat auch personell aufgestockt?
Ja, wir haben zwei erfahrene Mitarbeiter dazugewonnen, Frau Gaëlle Toquin für unsere Lizenzgeschäfte und Frau Martina Flessenkemper als Vertriebsleiterin in München eingestellt. Für die USA haben wir die „New York Times“ Kinderbuch-Redakteurin Maria Russo als Cheflektorin und Leonard Marcus als „Editor at Large“ gewinnen können. Unser Team hat 2020 unter den extrem schwierigen Bedingungen Großartiges auf die Wege gebracht – für die Zukunft bin ich ganz zuversichtlich.
Das 2002 von Chen Mingjun gegründete chinesische Medienunternehmen ist der einzige nicht staatliche Verlag, der seit 2017 an der Shanghaier Börse notiert ist. Unter seinen Autor*innen sind Gabriel García Márquez, V. S. Naipaul, Toni Morrison, Pablo Neruda, Alice Munro, Haruki Murakami, Paulo Coelho und Leo Lionni. Seit acht Jahren ist er der größte Buchlieferant für Dangdang, den größten Onlinebuchhändler in China. Tochtergesellschaften sind Astra House, Minedition und der Kinderbuchverlag Boyds Mills & Kane.
Der 2004 von Michael Neugebauer gegründete Verlag Michael Neugebauer Edition und die international agierende Minedition gehören seit 2020 zur Thinkingdom Media Group.
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