Novitätenschau

Buchtipps: 12 Indie-Perlen

25. Oktober 2023
Nils Kahlefendt

Noch Platz im Sortiment für großartige Bücher aus unabhängigen Verlagen? Hier kommen zwölf Titel, für die unser Indie-Experte Nils Kahlefendt glasklare Empfehlungen ausspricht. 

Jan Kuhlbrodt: Krüppelpassion oder Vom Gehen. Gans Verlag, 242 Seiten, 30 Euro

Katharina von der Gathen, Anke Kuhl: Radieschen von unten. Das bunte Buch über den Tod für neugierige Kinder. Klett Kinderbuch, 156 Seiten, 22 Euro

Frank Göhre: Harter Fall. CulturBooks, 163 Seiten, 17 Euro

Kuhlbrodt kommentiert Krankheit, Behinderung und Tod

Als Joan Didion 2005 „Das Jahr magischen Denkens“ veröffentlichte, erregte das Buch großes Aufsehen: Neuartig erschienen die Direktheit und Sensibilität, mit denen die Autorin ihre Trauer über den Tod ihres Ehemannes John Dunne analysierte und Wahrnehmungen, Gefühle und Gedanken aufzeichnete.

Das neue Buch des Autors, Essayisten, Lyrikers und Übersetzers Jan Kuhlbrodt ist, so gewendet, die Chronik eines angekündigten Todes – des eigenen. Die Zeichen mehren sich: "Den Knauf an der Tür zu erreichen, war mein erstes Ziel. An den konnte ich mich klammern und gleichzeitig die Tür öffnen." Wenn Kuhlbrodt ins Deutsche Literaturinstitut in Leipzig vordringen möchte, an dem er studiert und später gelehrt hat, wird daraus eine Slapstick-Szene: "Felsklettern an einem Hauseingang." Das Gebäude hat, im Gegensatz zum amerikanischen Konsulat nebenan, keinen barrierefreien Zugang – und der Autor, der an Multipler Sklerose erkrankt ist, sitzt im Rollstuhl, und ist auf Krücken, politisch korrekt: Unterarmstützen, angewiesen. Kuhlbrodt, der für seinen Roman "Krüppelpassion oder Vom Gehen" (Gans Verlag) mit dem Alfred-Döblin-Preis 2023 ausgezeichnet wurde, schreibt vom langsamen Rückzug des Lebens aus seinem Körper – er tut es jedoch mit so radikalem Mut, Offenheit, beängstigend klarem Blick, Wut und rabenschwarzem Humor, dass wir Gehenden nicht scheu und verschämt zurückschrecken, sondern diesem Buch nach wenigen Seiten verfallen. Mit Kuhlbrodts Augen sehen wir genauer, auf unser eigenes endliches Leben und den beschämenden Umgang der Gesellschaft mit Krankheit, Behinderung und, ja: dem Tod.

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