Warum das Urheberrecht so wertvoll ist

Baerbock und das Lobby-Lehrstück

13. Juli 2021
Torsten Casimir

Ein Buch putzt ungemein. Deshalb wollen ja viele eins schreiben. Das Urheberrecht begründet dabei nicht nur den Anspruch auf Geld, sondern auch den auf Geltung. Aber das Ganze klappt nur, wenn eine Autorin wirklich sagen kann: Das ist von mir! Aus gegebenem Anlass ein paar Vorschläge für künftige Lobbyarbeit. 

Baerbocks Buch und kein Ende! Die Debatte bekommt immer mehr Facetten, mittlerweile sogar inhaltliche. Aber auch zu Beginn der dritten Woche ihrer medialen Dauerpräsenz bleibt die wichtigste Funktion von Autorenschaft außer Acht: Wer ein Buch geschrieben hat, will für sich reklamieren dürfen: „Meins!“

Ein Buch kann nicht jede schreiben. Es zu tun, verspricht also Distinktionsgewinn. In ausreichend interessanten Fällen machen sich Kritiker die Mühe, ein Buch zu loben oder zu verreißen. „Buch“ bezeichnet insoweit nicht nur die gute alte Mediengattung, sondern auch ein soziales Spiel mit höchst persönlichen Folgen für Autorinnen und Autoren.

Als der GRÜNEN-Chef Robert Habeck am Wochenende von der „Süddeutschen“ auf die Plagiatsvorwürfe gegen seine Co-Vorsitzende Annalena Baerbock angesprochen wurde, wollte er wohl signalisieren, politisch verstanden zu haben: Selbstverständlich sei das Urheberrecht „die juristische Grundlage dafür, dass Kunst- und Kulturschaffende ein Einkommen haben“, sagte Habeck den Journalisten. Das ist artig geantwortet, nicht ganz falsch und ziemlich unvollständig.  

Bereits ein flüchtiger Blick ins Urheberrechtsgesetz weitet den Horizont. Paragraf 11, in dem der allgemeine Zweck der Norm beschrieben wird, stellt vor allen weiteren Zwecken erst einmal klar: „Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk (…).“ Hier wird also kein Schutzrecht primär wirtschaftlicher Natur formuliert, sondern ein Recht auf kulturellen Respekt. Es geht um die Sicherung der Zurechenbarkeit einer schöpferischen Leistung auf ihren Schöpfer und damit um eine Bedingung der Möglichkeit von Bewunderung, Applaus, Widerspruch. Mit anderen Worten: Es geht für Urheber um die Aussicht auf eine Aufwertung ihrer Person.

Natürlich kann man auch Bücher, die jemand ganz und gar selbst, womöglich sogar einsam geschrieben hat, schlecht finden, zum Beispiel, weil sie uninteressant sind und überhaupt niemanden überraschen. Zu einer schöpferischen Leistung, die Anerkennung finden möchte, gehört ein hoher Eigenanteil von Gedanken, eine gewisse Originalität, idealerweise auch ein gewinnender Umgang mit Sprache.  

In seinem funkelnden Beitrag zum Urheberrecht hat es der Dichter Peter Rühmkorf kurz vor seinem Tod unplagiierbar formuliert: „Schöpflöffel, die nur aus sich selber schöpfen? / Wir fußen doch alle / auf andrer Leut’s Köpfen. / Leben lustig vom Hin- und Widerhallen, / aber irgendwas / muss dir auch selbst einfallen. / Dass die Kundschaft von sich aus bekundet: / Das isses! / Etwas relativ / Sui-generisses.“

Im Grunde steckt in den paar Zeilen alles, was man für die aktuelle Debatte wissen muss. Niemand fordert 100 Prozent Autorinnenproduktion. Aber etwas relevant Eigenes wäre schon nett, und die Nennung von andrer Leut’s Köpfen wäre es auch. Hat leider nicht gut geklappt. Vermutlich fehlte einfach die Zeit dafür. Und so kann man Annalena Baerbock jetzt nicht für „ihr“ Buch gut finden, weil es im engen Sinn des Pronomens eben nicht nur ihres ist. 

Machen wir uns nichts vor: Ghostwriting will eine Außenwirkung erzielen, die auf eine Übertreibung von Autorenschaft zugunsten des Auftraggebers hinausläuft.

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