Ukrainische Buchzentren

Totalboykott russischer Bücher gefordert

2. März 2022
Redaktion Börsenblatt

Das Ukrainische Buchinstitut, das Lviv International BookForum, der PEN Ukraine und das Book Arsenal in Kiew appellieren an die Literatur- und Verlagswelt, wegen des Überfalls auf die Ukraine weltweit alle russischen Bücher und Verlage zu boykottieren.

Die vier Literaturinstitutionen begründen ihre Forderung damit, dass das "russische Narrativ" – gemeint dürfte hier vor allem Putins Glaubenssatz sein, die Ukraine sei historisch betrachtet Teil Russlands und habe deshalb nicht den Status der Eigenstaatlichkeit – "durch kulturelle Produkte im allgemeinen und Bücher im besonderen" verbreitet werde.

In verschiedenen Bereichen seien schon wichtige Maßnahmen zur Unterbindung der russischen Propaganda getroffen worden, unter anderem von der European Broadcasting Union, Eurovision, YouTube und Facebook. Man sei auch der Frankfurter Buchmesse dafür dankbar, dass sie sich der Initiative litauischer Kollegen angeschlossen habe, russische Verlage auf internationalen Buchmessen zu boykottieren. Dazu muss klargestellt werden, dass die Frankfurter Buchmesse die Zusammenarbeit mit staatlichen russischen Institutionen ablehnt, die für den russischen Gemeinschaftsstand verantwortlich sind; sie tritt aber nicht für einen pauschalen Boykott aller russischen Verlage ein.

In viele Bücher sei russische Propaganda eingewoben, die sie "zu Waffen und Vorwänden für den Krieg" mache, heißt es weiter in dem auf Ukrainisch und Englisch veröffentlichten Aufruf. Es handele sich um Titel, die im heutigen Russland mit staatlicher Unterstützung veröffentlicht, in der ganzen Welt verbreitet und auf internationalen Buchmessen, Literaturfestivals, wissenschaftlichen Konferenzen und Diskussionen zu geopolitischen Themen beworben werden. "Von der russischen Propaganda im Bereich von Literatur und Verlagswesen angesteckt, verbreiten viele Autoren, Literaturagenten, Verleger und Distributoren aus aller Welt die Infektion unter immer mehr Lesern in ihren Ländern", heißt es in dem Schreiben.

Die Absender formulieren vier Forderungen:

1) die Verbreitung von Büchern russischer Autor:innen und Verlage durch die Buchhandlungen im jeweiligen Land zu stoppen, online wie offline;

2) keine Rechte mehr von russischen Verlagen zu erwerben oder Rechte an diese zu verkaufen;

3) Russland, seine Verlagshäuser, Kulturzentren und Autor:innen von der Teilnahme an allen internationalen Buchmessen und Literaturfestivals auszuschließen;

4) Stipendien für Übersetzungen zeitgenössischer russischer Autoren in andere Sprachen zu beenden.

So verständlich der Aufruf sein mag – die Forderung, alle russischen Gegenwartsautor:innen und Verlage in Kollektivhaftung zu nehmen, weckt Zweifel. Kerstin Holm, Redakteurin im Feuilleton und bis 2013 Kulturkorrespondentin der "FAZ" in Russland, schreibt in einem heute veröffentlichten Kommentar: "Der ukrainische Vorstoß will also auch diejenigen russischen Autoren, die nicht ohne persönliches Risiko gegen den Krieg und gegen Putin Stellung beziehen, aber auch propagandafreie russische Gegenwartsliteratur einfach mitverbieten lassen." Stellvertretend seien hier Autor:innen wie Ljudmila Ulitzkaja und Viktor Jerofejew genannt.

Inzwischen haben auch zahlreiche russische Autor:innen Protestresolutionen gegen Putins Krieg veröffentlicht, darunter russische Kinderbuchautor:innen.
 

 

Lesen Sie im folgenden den vollständigen Aufruf der vier ukrainischen Buchzentren in englischer Sprache:

"A total boycott of books from Russia in the world!

Dear world literature and publishing community!

We call for a ban on spreading Russian narrative through cultural products in general and books in particular. The very important actions were already taken by stakeholders in different spheres. Among them European Broadcasting Union, Eurovision, YouTube, Facebook

This propaganda misled millions, it intimidated and divided, provoked hostility and promoted the regime of cruel dictatorship. 

But now the lie became obvious.

Russian propaganda is woven into many books which indeed turns them into weapons and pretexts for the war. And these are the titles that were published in modern Russia involving state support. They are distributed all over the world, promoted at international book fairs, literary festivals, scientific conferences and geopolitical discussions. Affected by Russian propaganda in the field of literature and book publishing, many authors, literary agents, publishers and distributors from around the world spread the infection among more and more readers in their countries.

Meanwhile, the places where Ukrainian literature and publishing were blossoming are under attack. 

We are very grateful to our Lithuanian colleagues who have started the initiative to boycott Russian publishers at international book fairs. We are grateful to the team of the Frankfurt Book Fair who supported this initiative. 

We strongly believe that the boycott should be supported by many more and that new sanctions should be imposed to fully isolate Russia and prevent it from further expansion with the means of cultural instruments.

Our demands are:  

1) to stop online and offline distribution of books by Russian authors and publishers through the bookstores in your countries;

2) to stop buying and selling rights to and from Russian publishers;

3) to suspend participation of Russia, its publishing houses, cultural centers and authors in all international book fairs and literary festivals;

4) to terminate grants for translations of contemporary Russian authors into foreign languages;

Russia and its criminal dictator are spreading false narratives and harmful ideology composed of the words and texts of their books. 

We believe in the freedom of speech and uncensored creativity, we believe that books shape us and our world. But it also means they might be turned into weapons against democracy. 

Support our struggle for democracy!

Glory to Ukraine!

UKRAINIAN BOOK INSTITUTE 

Lviv International BookForum

PEN Ukraine

Book Arsenal"