Uwe Rosenfeld hat seine Arbeit rückhaltlos geliebt – nur Doris, seine Frau, seine Gefährtin noch mehr –, die Bücher, den Buchhandel, das Lesen, die Autoren und ganz speziell: die S. Fischer Verlage, die er Anfang der 2000er Jahre zusammen mit einer verschworenen Gemeinschaft Gleichgesinnter neu erdachte, neu baute. Er hat überhaupt ungeheuer viel Neues ersonnen und geschaffen, um die 130 Jahre kulturelle, literarische und intellektuelle Substanz, die der Verlag für ihn darstellte, in die Zukunft zu führen. S. Fischer war sein Leben, ein Großteil davon, sein Einsatz war kolossal, ein Einsatz von Körper, Geist und Seele.
Er hat sich, bewusst aber glücklich verausgabt. Vor allem auch für Menschen, in intensiven, liebevollen Zuwendungen. Für Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen – Uwe hat das "management by walking" erfunden: "Na, wie ist es?", stand er fragend in der Tür … – und für seine Familie. In grenzenloser Generosität, Loyalität, Solidarität, Dezenz, inniglicher Verbundenheit, Ausdauer. Mit unbedingter Geradlinigkeit! Höchster Integrität. Und viel feinem Humor. Wenn Uwe einen ins Herz geschlossen hatte, besaß man dort einen Platz für alle Zeiten. Viele Menschen verdanken ihm ungemein viel, ich habe das gewaltige Glück, dazugehören zu dürfen. Ein Freund gewesen zu sein. Einige Rituale mit ihm teilen zu können, Uwe war ein Mensch vieler strenger wie lustvoller Rituale.
So sind wir über 25 Jahre spazieren gegangen, meist einmal die Woche, oft am Frankfurter Goetheturm; manchmal durfte ich gar mit in seine Stammkneipe ums Eck. Die größten und kleinsten Themen wurden auf den Spaziergängen gewälzt. Auch der Zustand der Welt, konkreter: die gesellschaftlichen, politischen Verhältnisse, ein Punkt, der Uwe besonders lebhaft beschäftigte, er war ganz in der Gegenwart, die er scharfsinnig zu dekonstruieren verstand. Auch deswegen war er so ein großer Verlagsführer: weil er über den Tellerrand der Branche blickte – und nicht nur über den der Branche.
In seiner liebsten Geschichte seines liebsten Buches - Christoph Ransmayrs "Atlas eines ängstlichen Mannes" - geht es um eine Insel im Südpazifik, Manu Motu Motiro Hiva. Eigentlich bloß ein einziger Berg, 3.500 Meter hoch, 400 Seemeilen südwestlich der Osterinseln gelegen, entfernter also noch als das Entfernteste. Eine von Menschen unbewohnte Insel, die Wundervögeln wie dem Weihnachtssturmtaucher, Meerläufer oder der Feenseeschwalbe gehört. Unternimmt man eine Übersetzung von Manu Motu Motiro Hiva, dann lautet sie ungefähr so: "Insel auf dem Weg in die Unendlichkeit". Da sitzt Uwe jetzt, eine Pfeife im Mund, im steifen, salzigen Wind; er sitzt und schweigt und schaut auf Meer. Und wir – wir sehen ihn da sitzen. Aber vermissen ihn hier. Schmerzlichst.