"Zu wenig, zu spät und falsch gedacht"
Der Verband der Gründer und Selbstständigen ist unzufrieden mit der Neustarthilfe. Die Bundesregierung habe die Chance vertan, die Situation zu befrieden.
Der Verband der Gründer und Selbstständigen ist unzufrieden mit der Neustarthilfe. Die Bundesregierung habe die Chance vertan, die Situation zu befrieden.
Am Freitag wurde die "Neustarthilfe“ von Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Finanzminister Olaf Scholz beschlossen. Sie unterstützt Soloselbstständige mit einmalig 5.000 Euro, die für sieben Monate von Dezember 2020 bis Juni 2021 gedacht sind.
Der Verband der Gründer und Selbstständigen kritisiert die Neustarthilfe. Die Befürchtung: Das Geld kommt nicht rechtzeitig an. Gleichzeitig müssen eventuell frühere Soforthilfen und Überbrückungshilfen zurückgezahlt werden. Andere Selbstständige haben keine Hilfen erhalten, da sie sich auf Kostenarten bezogen, die bei Soloselbstständigen geringes Gewicht haben. Die angekündigte Novemberhilfe sei wiederum nur auf bestimmte Branchen begrenzt und helfe nicht allen Soloselbstständigen.
„Leider werden die Betroffenen von der Regierung abermals enttäuscht“, so Andreas Lutz vom Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland. "Im Verhältnis zu dem finanziellen Schaden, der ihnen ja letztlich zum Schutz der Allgemeinheit aufgebürdet wird, sind 714 Euro pro Monat zu wenig. Seit Beginn der Krise sind zudem fast neun Monate vergangen. Über den Gesamtzeitraum gerechnet erhalten die Betroffenen aus der Neustarthilfe also gerade einmal 313 Euro pro Monat, auf die dann auch Steuern und Beiträge zu zahlen sind. Zugleich ist die Hilfe so ausgestaltet, dass sie andere Hilfen bis auf die Grundsicherung ausschließt."
Stattdessen wünscht sich Lutz eine Orientierung an Baden-Württemberg. „Dort blieb man mit 1.180 Euro Unternehmerlohn zwar deutlich hinter anderen EU-Ländern zurück, und der Betrag reicht in Großstädten oft noch nicht einmal für die Miete, aber damit hätte man die Situation befrieden können. Diese Chance wurde von der Regierung vertan. Dass sie der Regierung noch nicht einmal für die Zukunft diesen Betrag wert sind, verbittert viele Selbstständige."
Lutz weist auch darauf hin, dass das Kurzarbeitergeld aus dem Bundeshaushalt bezahlt wird. „Und Selbstständige, die über viele Jahre freiwillig in gleicher Höhe wie Angestellte in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt haben, erhalten kein Kurzarbeitergeld – in der Corona-Krise oft noch nicht einmal Arbeitslosengeld.“
Nach Ansicht des VGSD setzt sich mit der Neustarthilfe ein Problem fort, das sich bisher durch alle bisherigen Maßnahmen der Regierung wie ein roter Faden ziehe: "Die verantwortlichen Politiker sehen Soloselbstständige als (Lebens-) Künstler und prekäre Existenzen. Von diesem Zerrbild ausgehend ist die Neustarthilfe gedacht. Wer Hartz IV bezieht, wird sich über den zusätzlichen finanziellen Spielraum freuen. Er kann für vom Jobcenter nicht anerkannte, aber bei Selbstständigen notwendige Ausgaben verwendet werden, wie z.B. die Akquise neuer Kunden.
Die große Mehrheit der Soloselbstständigen und ihre Familien habe aber keinen Anspruch auf Grundsicherung, weil sie privat für ihr Alter vorgesorgt haben. Sie müssen die durch staatliche Maßnahmen verursachten Honorarausfälle deshalb aus ihrer Altersvorsorge tragen – oft unter zusätzlichen Verlusten, weil sie dafür Vertragsstrafen in Kauf nehmen müssen“, so Lutz weiter. „Die Neustarthilfe ist angesichts dessen viel zu niedrig, sie kommt zu spät und geht einmal mehr an unserer Lebensrealität vorbei."