"Vernarrt in Wissen" ist Ihre Verlagsgruppe ja schon lange. Seit wann sind Sie auch in Nachhaltigkeit „vernarrt“?
Was unsere Außendarstellung angeht sind wir immer schon eher zurückhaltend gewesen, sodass sich auch der „Startzeitpunkt“ unseres Umdenkens heute nicht mehr genau rekonstruieren lässt. Wir haben uns tatsächlich schon immer Gedanken darüber gemacht, wo wir noch Dinge optimieren können. Der erste Veränderung in Richtung „Nachhaltigkeit“ geschah dann aber eher aus Kostengründen. Mit der Digitalisierung der Arbeitsplätze brauchten wir mehr Strom, daher haben wir schon 2007 über Einsparungsmöglichkeiten nachgedacht. Wir haben in eine Photovoltaikanlage auf unserem Dach investiert, mit der wir unseren Strombedarf selbst decken konnten. Parallel haben wir die Glühlampen in unseren großen Lagerräumen gegen energiesparende LEDs getauscht. Das war wohl der erste große Schritt. Mit der Zeit kamen dann immer mehr Überlegungen dazu, was wir als „papierverschlingendes“ Unternehmen noch alles tun könnten, um unsere CO2-Bilanz zu verbessern. Beispielsweise gibt es mittlerweile auch unsere alten Projektordner nur noch digital – das einzige, was wir ausgedruckt aufheben, sind die Verlagsverträge.
Unter dem Motto „Tübingen macht blau“ hat Bürgermeister Boris Palmer ein Klimaziel für die ganze Stadt ausgerufen, an dessen Umsetzung sich auch alle Unternehmen beteiligen sollen. Tübingen will bis 2030 klimaneutral werden. Ist das für Ihr Verlagshaus zu schaffen?
Anders als die produzierende Industrie beispielsweise haben wir natürlich den Vorteil, dass wir über unser Kerngeschäft keine großen CO2-Ausstöße haben. Damit haben wir natürlich schon einmal eine bessere Voraussetzung als etwa Maschinenhersteller. Unser Verlag in Tübingen ist bis 2030 sicher weitgehend klimaneutral. Allerdings können und müssen auch wir in unserer Wertschöpfungskette noch einiges ändern; hierfür führen wir seit einiger Zeit auch schon Gespräche mit unseren Geschäftspartnern. Unser nächstes großes Ziel im Verlagsgebäude selbst ist es, unsere alte Ölheizung gegen eine klimaneutrale Alternative auszutauschen. Das reduziert unsere Emissionen um einen erheblichen Teil.
Nachdem Sie bereits auf Einschweißfolien verzichtet haben, wollen Sie jetzt bei Verpackungen die Müllquote senken und hohe Recycling-Werte erzielen. Sind die Kartons aus Graspapier, die zum Einsatz kommen, genauso stabil wie herkömmliche Verpackungen?
Wir haben bisher keine Einschränkungen feststellen können. Wir haben auch das Klebeband umgestellt auf eines, das ohne Kunststoff auskommt, und auch die Versandtaschen für die Lieferscheine sind nicht mehr aus Plastik. So können die Empfängerinnen und Empfänger das ganze Paket getrost ins Altpapier entsorgen. Übrigens heben wir auch einfach die Kartons auf, in denen an uns adressierte Ware angekommen ist. Besonders bei übergroßen Sendungen können wir dann einfach die erhaltenen Kartons zweitverwerten, und sparen so Papiermüll und den Einkauf „neuer“ Verpackungen. Unser Label transportieren wir anders als beispielsweise große Online-Versandhäuser über unser Klebeband – wir brauchen keine Versandkartons im Corporate Design.
Alle Werbemittel werden auf unbeschichtetem Recycling- oder Naturpapier gedruckt, Briefpapier und -umschläge kommen im Recycling-Design von der Druckerei Fink aus dem nahegelegenen Pfullingen und tragen daher ein „100 % lokal“-Siegel. Wie groß ist hier der CO2-Einsparfaktor?
Nachhaltigkeit bedeutet für uns tatsächlich mehr als nur CO2 einsparen – und das sage ich nicht nur, weil ich den Wert aus dem Stegreif nicht beziffern könnte. Nachhaltigkeit bedeutet auch Verantwortung übernehmen, besonders was die Wahl der eigenen Dienstleister angeht. Die eigenen Produkte nur nach dem Motto „Hauptsache günstig!“ im Ausland produzieren zu lassen, schadet der eigenen Wirtschaft umso mehr. Kleine(re) heimische Satz- und Druckbetriebe haben gegen die Konditionen der Großen kaum eine Chance. Wir arbeiten viel mit Unternehmen zusammen, die ein gutes Konzept haben, sei es jetzt digitale Vorreiterschaft oder eben die lokale und sozialverträgliche Firmenphilosophie, wie z. B. neben fink auch pagina aus Tübingen. Das ist nicht einfach, und natürlich kostet es uns auch mehr Geld. Aber wir helfen auf diese Weise beim Erhalt von Arbeitsplätzen und der Unternehmensvielfalt. Die Produkte müssen nicht etliche Kilometer von irgendeiner Spedition aus irgendeinem Teil der Welt gebracht werden, wenn es auch im Umfeld geht. Und das spart CO2.