Nachruf auf Konrad Paul

"Mit wehenden Rockschößen für Autoren und Bücher unterwegs"

27. Juni 2024
Redaktion Börsenblatt

Am 8. Juni starb Konrad Paul im Alter von 83 Jahren. Er hat den alten Aufbau-Verlag wesentlich geprägt und später das Goethe-Institut in Weimar geleitet hat. Man kannte ihn als leidenschaftlichen kulturpolitischen Strategen und Literaturvermittler. Gotthard Erler, ehemaliger Chef des Aufbau-Verlags, hat einen Nachruf auf seinen Freund und Kollegen Konrad Paul verfasst.

Mit anhaltender Betroffenheit mußte ich dieser Tage die Nachricht vom Tode meines Kollegen und Freundes Konrad Paul zur Kenntnis nehmen. Mit ihm hat unsere unwirtlich gewordene Welt eine weitere prägende Gestalt des alten Aufbau-Verlags verlassen, die aber als originäre Persönlichkeit der Weimarer Dependance in Erinnerung bleiben wird. Denn er war ein Literatur-Beförderer der besonderen Art, der sozusagen stets mit wehenden Rockschößen für Autoren und Bücher unterwegs war (wie es eine Kollegin, sich erinnernd, vorzüglich formuliert hat).

Konrad Paul kam 1965 als gerade diplomierter Germanist und Historiker ins Lektorat und bewährte sich rasch als umsichtiger und umtriebiger Lektor sowie als Bücher- und Kalendermacher, als stets hilfsbereiter und zuverlässiger Kollege, als belebender Partner in allen Programm-Konferenzen, in denen er dank seiner stupenden Belesenheit immer wieder Ausgrabungen aus der älteren Literatur anzubieten hatte, und nicht zuletzt als geschätzter Manuskriptbetreuer bei Autoren und Wissenschaftlern. Bei alledem war er von Anfang an ein leidenschaftlicher Öffentlichkeitsarbeiter, der auf eine spezifische Weise das (Lese-)Publikum für seine Autoren und deren Bücher zu gewinnen wusste. Dabei avancierte er auch als Nachwortautor (zum Beispiel für Pückler-Muskau, mit dem die betonköpfigen DDR-Behörden nicht recht etwas anzufangen wußten) und als Herausgeber, wobei er sich, in enger Zusammenarbeit mit Wulf Kirsten, insbesondere der deutschsprachigen Erzählung widmete („Der Metzger von Straßburg. Vierzehn Kriminalgeschichten“, 1980; „Deutsche Erzählungen 1900 bis 1945“, drei Bände 1981; „Das Rendezvous im Zoo. Liebesgeschichten“, 1984). Konrad Paul war ein leidenschaftlicher kulturpolitischer Stratege und Literaturvermittler. Er beherrschte die Kunst, Bücher und Autoren einleuchtend vorzustellen. Er hielt Vorträge, gestaltete Lesungen quer durchs Land – in den großen Städten, aber besonders gern in der Provinz und auf 2 dem flachen Land. Seine jeweils von profunder Kenntnis ausgehende Stoffdarstellung war verständlich, anschaulich, wissenschaftlich fundiert, aber stets unakademisch, und die anschließenden Debatten dirigierte er witzig, humorvoll und schlagfertig. Er konnte herrlich maliziös im raschen Urteil sein und reimte aus dem Stegreif perfekte Parodien zusammen. Konrad Paul war – im positivsten Sinne dieses sprichwörtlichen Begriffs – der „bunte Hund“ im literarischen Leben der Klassikerstadt und oft darüber hinaus. In Interviews, Gesprächen und Unterhaltungen erwies er sich immer auskunftsfähig und auskunftsfreudig. Charakterisierende Anekdoten und pikante Geschichten standen ihm in offenbar unerschöpflicher Fülle zu Gebote – Meriten, die auch seine monatlichen Literatursendungen im Lokalradio prägten.

Seit 1988 war er Leiter des Weimarer Lektoratsteils, und er hatte die schmerzlich-schwierige Abwicklung dieses Verlagsteils zu bewerkstelligen und 1993 auch die Räumung des Hauses in der Puschkinstraße mit höchst persönlichem körperlichem Einsatz zu erledigen.

Seine Passion für die klassische Literatur und sein Engagement für die aktuelle Bücherwelt sowie seine enormen Erfahrungen im literarischen Betrieb prädestinierten ihn nach dem Fall der Mauer, die Direktion des Goethe-Instituts in Weimar zu übernehmen (1996). Er war für Programm und Organisation des Instituts (im traditionsreichen „Haus der Frau von Stein“ untergebracht) verantwortlich und war dort in seinem Element. Seine profunden Kenntnisse in der Stadt- und Kulturgeschichte waren ideale Voraussetzungen, dass er diese Residenz zu einer Attraktion für Besucher und Referenten machen konnte. Wobei seine Kunst der Moderation und sein immer heiterer und fröhlicher Umgang mit den Gästen allen im Gedächtnis bleiben wird, die je mit ihm zu tun hatten.