Die Krimibestenliste 2021

Merle Krögers "Experten" holen den Titel

10. Dezember 2021
Redaktion Börsenblatt

Die 18-köpfige Jury der Krimibestenliste hat die zehn besten Kriminalromane des Jahres 2021 gekürt. Auf Platz 1: "Die Experten" von Merle Kröger.

Und hier die Liste im einzelnen:

1 Merle Kröger: Die Experten
Suhrkamp, 688 Seiten, 20 Euro
Kairo, BRD, 60er Jahre. Rita Hellberg, 17, ist mit Vater, Flugzeugingenieur bei Hitler und nun bei Nasser, und neurotischer Mutter unter die „Experten“ geraten. Erste Liebe, Orient, Nazis, Anschläge, im Hintergrund BRD, Israel. Geschichte stört Gegenwart. Dokumente, Fotos, Zitate – lies, verstehe das. Kolossal.

2 Tana French: Der Sucher
Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Scherz, 496 Seiten, 22 Euro
Irland. Cal Hooper, Ex-Detective aus Chicago, hat sich in „Ardnakelty“ zur Ruhe gesetzt. Er genießt das Fremdsein, die rauen Dorfsitten. Bis Trey, dreizehn, scheu, Außenseiterkind, ihn bittet, den verschwundenen Bruder Bren zu suchen. Westernmotive pflastern ihren Pfad durch böse Wetter.

3 David Peace: Tokio, neue Stadt
Aus dem Englischen von Peter Torberg
Liebeskind, 432 Seiten, 24 Euro
Tokio 1949, 1964, 1988. Rätsel bis heute: Wie kam Shimoyama, Präsident der Nationalen Eisenbahngesellschaft, unter den Zug? Sie zerbrechen daran: Spione, Detektive, Schriftsteller. Neu sind nur die Machtverhältnisse, alt ist die Macht, undurchschaubar. Sprachgewaltig, Totenklage aus dem Diesseits.

4 Colin Niel: Nur die Tiere
Aus dem Französischen von Anne Thomas
Lenos, 286 Seiten, 22 Euro
Massif Central, Côte d‘Ivoire. Verschwunden: die freizügige Frau eines wohlhabenden Mannes. Ein Schafzüchter findet zeitweilig bei ihr großes Glück. Der Mörder ist verknallt in die Fiktion einer Geliebten. Ein armer Mann macht Euros im Netz. Globalisierung: Sehnsucht ist Einsamkeit. Noir vom Land.

5 Elizabeth Wetmore: Wir sind dieser Staub
Aus dem Englischen von Eva Bonné
Eichborn, Köln 2021, 320 Seiten, 22 Euro
Odessa, Westtexas, 1976. Halb zu Tode vergewaltigt kann die 14-jährige Mexikanerin Gloria ihrem Peiniger entkommen. Flucht und anschließender Prozess sind Zentrum vielperspektivischen Erzählens: Die Frauen des Ortes begehren auf, reißen wortmächtig Löcher in die Macho-Welt, in die sie verstrickt waren.

6 Johannes Groschupf:
Berlin Heat
Suhrkamp, 254 Seiten, 14,95 Euro
Berlin 2021 nach Corona. Tom Lohoff, Tausende Euro Wettschulden, vermietet seine Plattenbauwohnung an zwei Typen, die darin einen AfD-Politiker gefangen halten. Desaster vorprogrammiert. Wie decouvriert man Braune? Zieh‘ ihnen parodistisch die Farbe ab. Showdown Reichskanzlei. Heißer Berlin-Roman.

7 Garry Disher: Moder
Aus dem Englischen  von Ango Laina und Angelika Müller
Pulp Master, 302 Seiten, 14,80 Euro
Sydney. Wyatts Verbrecherkompetenz zum Trotz: Die Jagd nach dem Fluchtgeld des Großbetrügers Tremayne läuft aus dem Ruder. Ein zäher Bulle, Afghanistanveteranen, starke wie schwache Gierschlünde durchkreuzen auch die coolste Operation. Prima Wyatt-Thriller, Showdown im Pazifik. Disher hat’s drauf.

8 Viet Thanh Nguyen: Die Idealisten
Aus dem Englischen von Wolfgang Müller
Blessing, 496 Seiten, 24 Euro
Paris 1981. Als "Niemand, der nichts glaubt" ist der Spion aus Vietnam über die USA in die Heimat seines Priestervaters und dort unter Drogendealer geraten. Zwischen Action, Groteske und Philosophie jonglierender "Abschiedsbrief eines Selbstmörders". Sequel des hochgelobten "Der Sympathisant".

9 Patrícia Melo: Gestapelte Frauen
Aus dem Portugiesischen von Barbara Mesquita
Unionsverlag, 252 Seiten, 22 Euro
Acre, West-Brasilien. Femicídio. Die namenlose Ich-Erzählerin, Anwältin, erforscht die Urteilsfindung über Frauenmorde: zu viele, gestapelt in ihrem Notizbuch. Eine 14-jährige Indigene wird von drei Upperclass-Jungs vergewaltigt und zerstückelt. Mordermittlung, gellende Anklage, Rachephantasie. Femizid.

10 Samantha Harvey: Westwind
Aus dem Englischen von Steffen Jacobs
Atrium, 382 Seiten, 22 Euro
"Oakham", Somerset 1491. Der reichste Mann des ärmsten Dorfes ist tot, der Dekan steckt seine Nase in alle Ritzen, Pfarrer John Reve möchte nicht „Richter und Sheriff“ zugleich sein. Als ließe sich die Zeit zurückdrehen, erzählt Reves Ich vier Tage rückwärts: Scham, (geistige) Armut, Lügen.

 

DIE KRIMIBESTENLISTE 2021
beruht auf den Abstimmungen der Jury der Krimibestenliste, die monatlich von Deutschlandfunk Kultur herausgegeben wird.

Der Jury gehören an:
Tobias Gohlis, Sprecher der Jury | Volker Albers, „Hamburger Abendblatt“ | Andreas Ammer, „Druckfrisch“, BR | Gunter Blank, „Rolling Stone“ | Katrin Doerksen, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Kino-Zeit“ | Hanspeter Eggenberger, „Tages-Anzeiger“ | Fritz Göttler, „Süddeutsche Zeitung“ | Jutta Günther, „Radio Bremen Zwei“ | Sonja Hartl, „Zeilenkino“, „Culturmag“, „Deutschlandfunk Kultur“ | Hannes Hintermeier, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ | Alf Mayer, „Culturmag“, „Strandgut“ | Kolja Mensing, „Deutschlandfunk Kultur“ | Marcus Müntefering, „Der Spiegel“ | Ulrich Noller, „Deutschlandfunk Kultur“, „Deutschlandfunk“, SWR, WDR | Frank Rumpel, SWR | Ingeborg Sperl, „Der Standard“ | Sylvia Staude, „Frankfurter Rundschau“ | Jochen Vogt, „NRZ“, „WAZ“

Die Krimibestenliste an jedem ersten Freitag des Monats
auf Deutschlandfunk Kultur: www.deutschlandfunkkultur.de/krimi
und auf: recoil.togohlis.de/die-krimibestenliste

 

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