Die IG Digital lädt in diesem Jahr nicht zur traditionellen Jahrestagung ein, sondern erstmals zur rein digitalen Innovation Factory am 24. und 25. Juni. Worum soll es dabei gehen?
Hermann Eckel: Neben Gesprächsrunden und Impulsvorträgen sollen es die Teilnehmer*innen an beiden Tagen mit acht Challenges aufnehmen – Workshops, in denen zu bestimmten Fragen Lösungen gesucht werden, die auch konkret umgesetzt werden können. Beispielsweise aus dem Bereich KI, Data Analytics & Automatisierung oder aus dem Bereich Blockchain & NFTs. Unsere Absicht war es von vornherein, uns von der Frontalpräsentation, wie wir sie früher meist bei den Jahrestagungen hatten, zu lösen. Wir haben uns gefragt, welche Bedürfnisse die Leute in der Branche haben, welche Pain Points. Das konventionelle Konferenzformat ist zu flüchtig, um solche Fragen ernsthaft beantworten zu können. Deshalb bieten wir etwas an, was nachhaltiger wirkt. Verena Pausder hat einmal gesagt: „Wir haben ein Umsetzungsproblem.“
Carmen Udina: Bisher haben wir während der Corona-Pandemie Präsenzveranstaltungen ins Digitale übersetzt. Das funktioniert aber nicht, weil es unter anderem kein interaktives Miteinander gibt. Bei der Innovation Factory soll es aber genau darum gehen: Im Team konkrete Lösungsvorschläge zu erarbeiten, die die Teilnehmer*innen in ihr Unternehmen mitnehmen können. Die Impulsvorträge sollen zunächst dazu animieren, Initiative zu entwickeln. In den Challenge-Workshops werden dann unter fachlicher und methodischer Moderation Lösungen entwickelt. Auch in den Gruppen selbst sitzen ausgewiesene Experten, an die man sich jederzeit wenden kann.
Roland Große Holtforth: Wir haben für die Innovation Factory auch die Erfahrungen ausgewertet, die wir mit den Webinaren der IG Digital gesammelt haben. Wir wollen die Möglichkeiten des Digitalen ausschöpfen und Interaktionsformate kreieren, die noch besser funktionieren als analoge Veranstaltungen. Der Vorteil des digitalen Formats ist, dass wir Experten ortsunabhängig für die Factory gewinnen können, und keine Kosten für Reise und Unterbringung anfallen.
Kann man in einem digitalen Workshop besser zusammenarbeiten als in einem Präsenz-Workshop?
Eckel: Auf jeden Fall ist es auch online möglich, kollaborativ und kreativ zu werden. Das wird auch nach der Pandemie nicht verschwinden. Verhandlungen mit Agenturen oder Bewerbungsgespräche laufen jetzt schon online, und das wird auch künftig in vielen Fällen so bleiben. Was aber auf jeden Fall ein Vorteil ist: Wir können im Digitalformat Teilnehmer*innen und Expert*innen zusammenbringen, die sonst nie zusammenkommen könnten.
Wie sind denn die Challenges ausgewählt worden?
Eckel: Wir haben bereits im vergangenen Jahr unsere Mitglieder danach gefragt, was sie derzeit beschäftigt. Da wurden Themen wie Audio, Change-Prozesse, New Work oder auch – ganz wichtig – neue Geschäfts- und Erlösmodelle genannt, die man jetzt im Programm der Factory wiederfindet.
Große Holtforth: Die Themen haben sich im Austausch mit unseren Mitgliedern herauskristallisiert, und wir haben sehr schnell Branchenunternehmen für die Factory gewinnen können, die bestimmte Lösungen schon umgesetzt haben. Ein Beispiel ist die geplante NFT-Plattform von Bookwire, die Eric Bartoletti für sein Unternehmen gebaut hat. Darum geht es: Produkte oder Lösungen für das operative Geschäft entwickeln, nicht nur Ideen. Das ist keine bloße Zukunftsmusik, im Gegenteil: Die Zukunft wird heute gemacht.
Udina: Im Vorfeld haben wir uns gefragt: Für wen machen wir das? Der Fokus liegt klar auf der Umsetzbarkeit – aber das schließt auch die Frage ein: Wie verkaufe ich meine neue Produktidee im eigenen Unternehmen? Und wie schaffe ich es, dafür auch ein Budget zu bekommen? Genau dafür haben wir den Pitch-Trainer Lars Hartenstein eingeladen. Die Innovation Factory geht mit einem Pitch-Stop zu Ende, bei dem alle Challenge-Ergebnisse präsentiert werden, und anschließend die Favoriten gekürt werden. Spitzenreiter bei der Mitgliederbefragung war übrigens KI, weshalb wir für die KI-Challenge die Autoren des „AI Toolbook“, Alessandro Brandolisio und Michael Leitl, als Experten eingeladen haben.
Der ARD-Digitalexperte Dennis Horn wird im Keytalk die provozierende Frage stellen „Alles nur Innovationstheater?“ Wann ist Innovation sinnvoll, und wann ist sie nur Selbstzweck?
Große Holtforth: Wir haben bewusst keinen Innovations-Einpeitscher engagiert. Dennis Horn geht das Thema sehr realitätsnah an und kann Innovationsgeist ausgezeichnet vermitteln. Er weiß, dass Innovation in der Praxis ein steiniger Weg sein kann, und dass sie auch toxisch werden kann. Deshalb wollen wir die Frage der Innovation schon ganz zu Anfang der Factory kritisch beleuchten.
Eckel: Dazu gehört auch, dass die eingeladenen Expert*innen zentrale Methoden vermitteln, die man für das Innovationsmanagement braucht: Design Thinking oder Business Model Canvas.
Udina: Und es wäre viel gewonnen, wenn die Teilnehmer*innen am Ende der Veranstaltung Innovation als Haltung verstehen würden.
Können Unternehmen Innovation immer aus eigener Kraft hervorbringen – oder brauchen Sie auch Partner?
Große Holtforth: Für Inhalteanbieter wie Verlage ist es sogar sehr sinnvoll, Kooperationen einzugehen. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit zwischen dem Stark Verlag und der Plattform Study Smarter, deren Mitgründer Christian Felgenhauer einen Impulsvortrag halten wird.
Eckel: Darin liegt für viele Verlage auch eine Chance. Ich denke da beispielsweise an die medizinische Wissensplattform Amboss, die auch für Medizinverlage ein interessanter Partner sein könnte.
Udina: Der Kooperationsgedanke zieht sich durch die gesamte Veranstaltung, bei den Impulsvorträgen ebenso wie in den acht Challenges.
Die Jahrestagung, an deren Stelle die Innovation Factory zumindest teilweise tritt, hat den Charme, dass sich alle Teilnehmer*innen auch physisch begegnen können. Kommt das irgendwann wieder?
Udina: Natürlich kann die Factory die klassische Tagung nicht ersetzen. Es ist eben ein komplett neues Format, mit anderen Inhalten und Zielen – und Expert*innen, die auch aus den eigenen Reihen kommen. Sobald man sich wieder physisch treffen kann, hoffentlich im Herbst, wird es eine große Party geben.
Große Holtforth: Andererseits sollte man kein Byte von dem, was wir während der Pandemie gelernt haben, wieder zurücknehmen. Die Herausforderungen sind da, und wir sollten möglichst viele Funken aus der aktuellen Situation schlagen.