Geschafft
Wie haben die Jugendbuchverlage die ersten acht Monate dieses außergewöhnlichen Jahres bewältigt? Einblicke in den Markt, Erfahrungen und Zahlen.
Wie haben die Jugendbuchverlage die ersten acht Monate dieses außergewöhnlichen Jahres bewältigt? Einblicke in den Markt, Erfahrungen und Zahlen.
2020 war für uns bisher ein herausforderndes Jahr«, sagt Tessloff-Verlegerin Katja Meinecke-Meurer, »aber im Vergleich zum Vorjahr sind wir bislang überproportional im zweistelligen Bereich gewachsen. Wir haben in den ersten sieben Monaten in einigen Bereichen bereits die Menge an Büchern verkauft wie sonst in einem Jahr.« Ähnlich bei Marktführer Carlsen: »Zu Beginn des Lockdowns hätte niemand bei uns gedacht, dass wir Ende August deutlich über Vorjahr sind«, erklärt Verlegerin Renate Herre. »Auch nicht, dass sich ein Bilderbuch pro Tag 800- bis 1 000-mal verkauft« – gemeint ist Marc-Uwe Klings »Neinhorn« mit bislang 425 000 verkauften Exemplaren.
Vieles schien und scheint immer noch ungewiss, etwa die Frage, ob es den Kinostart des Umsatztreibers »Die Schule der magischen Tiere« im November geben wird. Eine stabile Fanbase garantiert hier Umsätze, ebenso wie beim jüngsten »Bis(s)«-Band, der mit 110 000 Exemplaren startete und noch vor Erscheinen zwei Nachauflagen (insgesamt 30 000 Exemplare) verzeichnet. Vier Übersetzer*in-nen hatten die 850 Seiten in acht Wochen übertragen. »Da der letzte der vier ›Bis(s)‹-Titel vor zwölf Jahren erschienen ist, scheinen sich nun viele jüngere, neue Leser für die Romanze zu interessieren«, so Herre. »›Bis(s)‹ oder der neue ›Panem‹-Band bei Oetinger zeigen die Flughöhe an, die beim Jugendbuch wieder möglich ist – auf der anderen Seite laufen hochliterarische Romane wie Susan Krellers ›Elektrische Fische‹ mit 11 000 verkauften Exemplaren auch sehr gut.«
»Das sah nicht gut aus!«, erinnert sich Urachhaus-Verlagsleiter Michael Stehle an die ersten Lockdown-Tage. »Doch plötzlich zeigte sich, wie sehr wir vor allem auf die kleinen und mittleren inhabergeführten Buchhandlungen setzen konnten, die mit einer unglaublichen Kreativität dafür sorgten, dass unser Absatz stabil blieb.« Schon Ende März sagte ihm der Bonner Buchhändler Philipp Seehausen, dass es jetzt auf eine starke Backlist ankomme – »und er sollte recht behalten. Da wir unsere Titel in der Regel überdurchschnittlich lang lieferbar halten und uns eine Backlist mit mehr als 500 Titeln leisten, konnten wir im ersten Halbjahr beobachten, dass sich viele unserer bewährten Longseller sehr gut verkauft haben.« Stehle kam ohne Verluste durch den Lockdown, »was nicht zuletzt durch einen zwischenzeitlichen Zuwachs von 200 Prozent über unseren Onlineshop zu erklären ist«. Bislang verzeichnet Urachhaus ein Umsatzplus von deutlich mehr als 20 Prozent zum Vorjahr.
In der Tat: In vielen Jugendbuchverlagen waren Backlisttitel stark gefragt; von den »Logischen Denkrätseln« etwa verkaufte Tessloff allein im Lockdown 8 000 Exemplare, sodass die Nürnberger umgehend nachdruckten. Ebenso reüssierten vertraute Autor*innen und Klassiker. »›Der Regenbogenfisch‹ und ›Hier sind wir‹ etwa sind in dieser Zeit spitze gelaufen, sie waren nicht abhängig von der Präsenz in den stationären Läden«, stellt NordSüd-Verleger Herwig Bitsche fest.
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