Junge Verlagskonzepte

Quer zum Strom

14. August 2020
Nils Kahlefendt

Nicht jede Programmidee gedeiht im klassischen Verlagsumfeld. Wie Bücher auf unkonventionelle Weise entstehen können, zeigen fünf Beispiele.

Kise als Chance? Mancher wird, beim Blick in die Bücher, Schwierigkeiten haben, sich diesen Gedanken zu eigen zu machen. Die Einbußen aus der Zeit des Lockdowns drücken Buchhandel wie Verlage. Doch Corona beschert der oft als konservativ gescholtenen Buchbranche auch einen anderen Umgang mit Alternativen und Möglichkeitsräumen. Genutzt werden sie unter Konzern­dächern ebenso wie von kleinen Independents, von Neugründern wie von alten Hasen. Einige dieser Querdenkerprojekte stellen wir hier vor.

Das Schnellboot am Tanker

Lange vor dem Corona-Lockdown, im Spätsommer 2019, hat Oetinger ein neues Imprint unter dem Namen Migo
gegründet. »Wir wollen das Schnellboot am großen Verlagsgruppen-Tanker sein«, sagt Carmen Udina, die neben der Leitung des Industriegeschäfts bei Oetinger auch das Migo-Programm verantwortet. Schnell, flexibel und kollaborativ möchte man agieren; wenn sich neue Trends und Themenfelder auftun, ist man in der Lage, in kürzester Zeit ungewöhnliche Produkte auf den Markt zu bringen – von Büchern bis zu Apps, Non-Books und kreativen Bundles. »Wir verzichten auf starre Programmstrukturen und Erscheinungszyklen, um schnell und nah bei unseren Adressaten zu sein«, erklärt Udina.

Das hat weitreichende Konsequenzen für Marketing, Vertrieb und vor allem die Handelspartner. Die Aktualität der Titel hat zur Folge, dass ein flexiblerer Einkauf und ein intensiverer Austausch zwischen Verlag und Handel notwendig sind. Statt mit festen Vertreterterminen und klassischen Vorschauen kommuniziert das Team via VLB-TIX, die Zielgruppe hat man in allen Phasen der Projektentwicklung fest im Blick: »Wenn wir Themen entdecken, die in bestimmten Communitys kursieren, suchen wir uns dort unsere Kooperationspartner.« Für eine Workbook-Serie zum Thema Logopädie etwa arbeitet das Imprint mit der Praxengemeinschaft Theralingua zusammen.

Ursprünglich sollten die ersten Produkte zur Leipziger Buchmesse vorgestellt werden, erschienen sind sie nun im Juni und Juli. Noch vor dem Lockdown haben die Hamburger einen Film gedreht, in dem die Produktmanager, die sonst eher selten im Rampenlicht stehen, ihre Titel vorstellen. Drei davon haben es in die Listung der großen Handelspartner geschafft, so zum Beispiel »Escape Room for Family« von Michael König – ein Buch, das auf spielerische Weise die eigene Wohnung zum Abenteuerspielplatz macht und damit bestens in die neue Normalität vieler Eltern und Kinder passt. »Wenn Corona nicht gewesen wäre«, sagt Carmen Udina, »wären wir mit einem veritablen Wumms in den Markt gekommen.« Aber die Migo-Frontfrau kann nicht
klagen: »Wir haben die Kurve extrem gut gekriegt. Und es ist ein großartiges Gefühl, genau dann mit innovativen Produkten zu starten, wenn sich alles im Umbruch befindet.«

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