"Zur Kultur in Deutschland gehört, dass wir in diesem mitten in Europa gelegenen Land reichhaltige Kulturen – im Plural – haben. Dazu zählen mehrere vom Aussterben bedrohte Sprachen, die nur von kleinen Minderheiten gesprochen werden, aber doch die Fülle des Menschseins repräsentieren, wie das Sorbische, Friesisch oder eben auch Romanes", sagt PEN-Präsidentin Regula Venske. "Anstatt auf einem angeblichen Grundrecht, ein Schnitzel benennen zu wollen, zu beharren, sollten wir lieber anderen menschlichen Bedürfnissen Raum geben: Neugier und Lust auf Austausch mit unseren Mitmenschen, gemeinsames Trauern, gemeinsames Feiern, gemeinsames Leben. Ich bin sicher, es warten auf Romanes noch große literarische Schätze darauf, gehört und gelesen zu werden."
Der UNESCO-Atlas der bedrohten Sprachen der Welt schätzt Romanes als bedroht ein. Von der größten Minderheit Europas leben in Deutschland – erst seit 1998 per Gesetz als nationale Minderheit anerkannt – 70.000 bis 150.000 Sinti und Roma. Eine genaue Erfassung ist historisch problematisch, da dies im Nationalsozialismus durch die rassenhygienische Forschungsstelle vorgenommen wurde und die Grundlage für die Deportation und den Völkermord (Porajmos) an mehr als einer halben Million Sinti und Roma bildete.
Sinti als die größte Gruppe der Roma leben bereits seit über 600 Jahren im deutschen Sprachraum. Die Muttersprache Romanes kommt aus dem Indogermanischen und ist eine rein mündlich überlieferte Sprache. Es gibt Versuche, sie für eine einheitliche Schriftsprache zu standardisieren. In starken Familienverbänden wird Romanes als Muttersprache selbstverständlich weitergegeben. Doch in vielen Familien wurde aufgrund der Verfolgung im Nationalsozialismus die Sprache nicht gesprochen. Zu den Hintergründen erläutert PEN-Präsidiumsmitglied Simone Trieder: "Hauptgrund ist, dass Eva Justin als Mitarbeiterin des rassenhygienischen Instituts Romanes sprach und so das Vertrauen der Roma erwarb, um die Erfassung für die 'Zigeunerpersonalakten' vorzunehmen, nach denen deportiert wurde. Justin und ihr Vorgesetzter Robert Ritter entgingen der Entnazifizierung und arbeiteten beide bis 1962 unbehelligt weiter als 'Zigeunerexperten' im Gesundheitsamt Frankfurt am Main. Es konnte passieren, dass im Entschädigungsverfahren Sinti und Roma wieder ihren Peinigern gegenüberstanden, um erneut 'begutachtet' zu werden. So kam es dazu, dass in der Bundesrepublik in den Familien häufig Romanes nicht gepflegt wurde.' In den 1980er Jahren gründeten sich Vereine, die den Kindern ihre Muttersprache vermittelten, z.B. der Rom e.V. Köln, der heute noch aktiv ist.
Sinti sind Sinti und keine (Untergruppe der) Roma. Wären sie - was auch völlig daneben ist - die größte Gruppe der Roma, warum wird dann diese Bevölkerungsgruppe nicht Sinti genannt und die Roma als eine Untergruppe der Sinti bezeichnet?
Fakt ist, daß die Sinti sich in vielem von Roma (welchen auch immer) unterscheiden und sich vehement dagegen wehren, als Roma bezeichnet oder mit ihnen in einen Topf geworfen zu werden.
Die Bezeichnung "Roma" als Ablösung des Sammelbegriffs "Zigeuner" ist sachlich falsch, da es verschiedene Zigeunergruppen gibt, die sich nie "Roma" genannt haben und teilweise diese Bezeichnung gar nicht kennen.
Die seit 1971 langsam eingerissene "Umdefinierung" kann man vor diesem Hintergrund als nichts anderes als von Nicht-Zigeunern maßgeblich geförderten "Roma-Imperialismus" bezeichnen. Daß die Sinti in Deutschland schon sehr schnell darauf bestanden haben, nicht nur von Roma, sondern von Sinti und Roma zu sprechen, ist ein Ausdruck davon.
Allerdings hat das dazu geführt, daß nun in den Medien schon stereotyp von "Sinti-und-Roma" die Rede ist, wenn z.B. nur Sinti oder nur Roma (wie es meist der Fall ist) eigentlich im gegebenen Fokus stehen.
Der Rom e.V. in Köln ist ein Verein, der im wesentlichen von Nicht-Zigeunern gegründet und getragen worden ist und wird. Er hat neben den verschiedenen Aktivitäten allerdings nichts oder kaum etwas getan, um Kinder die Muttersprache zu vermitteln. Allein Romanes-sprachige Mitarbeiter zu haben, bedeutet noch keine Vermittlung der Muttersprache.
Zudem ist das überwiegende Klientel des Rom e.V. - abgesehen davon, daß er sich in den letzten Jahren auch mit Flüchtlingen beschäftigt, die keine Roma sind - Roma aus Balkanländern, vor allem Ex-Jugoslawien. Und auf die trifft das Nicht-Pflegen des Romanes aufgrund von Erfahrungen der NS-Zeit nicht zu - ob es für die deutschen Sinti so zutrifft, sei noch dahin gestellt.
Die deutschen Sinti sind - obwohl ihnen das Recht als nationale Minderheit zustünde - zum überwiegenden Teil (immer noch) dagegen, ihre Sprache öffentlich zu machen, was eine staatliche Förderung dessen beinhalten würde.
Schließlich: ein friedliches Miteinander in diesem Lande wird massiv gestört, wenn Menschen ohne diffamierende Absicht den Begriff "Zigeuner" benutzen und dann als "rassistisch" oder "antiziganistisch" gebrandmarkt werden.
Zur weiteren Information über die Begrifflichkeit könnte z.B. hierauf verwiesen werden:
http://www.rbenninghaus.de/zigeuner-begriff.htm