Einer der ältesten literarischen Kleinverlage

Marbach übernimmt das Archiv des Wolfgang Fietkau Verlags

13. September 2024
von Börsenblatt

Das Fietkau Verlagsarchiv geht als Schenkung ans Deutsche Literaturarchiv Marbach. Fietkau suchte die knappe, experimentelle Form. Die Reihe "Schritte" war provokant in Sprach- und Zeitkritik, bald auch in der Gestaltung.

Das teilte das Deutsche Literaturarchiv (dla) mit (12. September). Im Juni 1959 von Wolfgang Fietkau (1935–2014) in Berlin gegründet, sei der Wolfgang Fietkau Verlag einer der ältesten literarischen Kleinverlage in Deutschland. In der Reihe "Schritte", einem Forum für Erstveröffentlichungen zeitgenössischer Autorinnen und Autoren, erschienen frühe Werke u.a. von Christa Reinig, Konrad Bayer, Franz Mon, Aldona Gustas, Wolfgang Bauer, Ferdinand Kriwet und Dorothee Sölle in einer breiten Gattungsvielfalt: Kurzprosa, Minidramen, Gedichte und konkrete Poesie.

Als der Verleger 2014 starb, führte die Witwe Barbara Zillmann, Radioautorin und Publizistin, die Verlagsbestände weiter. Sie übergab dem Deutschen Literaturarchiv Marbach das verlegerische Archiv der frühen Jahre (1959–1984). Die Materialien sind bereits katalogisiert und im Online-Katalog des DLA einsehbar.

Der bei der Verlagsgründung 24-jährige Verlagsbuchhändler Wolfgang Fietkau, selbst Autor und Journalist, suchte die knappe, experimentelle Form. Die Reihe "Schritte" war provokant in Sprach- und Zeitkritik, bald auch in der Gestaltung von Christian Chruxin, Grafiker der Kasseler Schule. Zunächst erschienen die Bände in traditioneller Gestaltung von Ursula Reichardt als feine Klappenbroschur in Bütten. Chruxin entwarf in seinem Debüt als Buch- und Reihengestalter für die jeweils meist nur 36 Seiten umfassenden Ausgaben kompromisslose Umschläge mit halbfetter serifenloser Schrift auf weißem Grund.

Ab 1970 produzierte Wolfgang Fietkau per Hand in eigener kleiner Druckwerkstatt. Das ermöglichte ein frühes 'Printing on demand'. Nach 1984 wurde die Reihe "Schritte" nur mit Nachauflagen fortgeführt, größere Gedichtbände von Dorothee Sölle erschienen neu. Insgesamt erreichte die Reihe eine Auflage von über 90.000 Exemplaren. Sölle fand mit ihrem poetischen Werk in insgesamt sieben Bänden ein eigenes Publikum.

Das Archiv ist so klein wie der Verlag es bis heute blieb. Es enthält in etwa 10 Ordnern den Schriftverkehr des Verlegers Wolfgang Fietkau mit Autorinnen und Autoren, Herstellpäckchen, Rezensionen, Fotos und Objekte sowie grafische Klischees, Titelmontagen und Werbung. Das Material gibt insbesondere Einblick in die Herstellung, Gestalt und Distribution literarischer Kleinformen in den frühen 60er-Jahren im Vorfeld der Studentenbewegung.