Gastland-Serie: Auf einen Espresso mit ... Erin Doom

"Keine Literatur zweiter Klasse"

21. Oktober 2024
Nicola Bardola

Mit 450.000 verkauften Exemplaren war Erin Dooms Roman "Fabbricante di lacrime" 2022 das erfolgreichste Buch in Italien. Jetzt ist die von Netflix verfilmte Romance-Sensation auf Deutsch erschienen: Ein Gespräch mit der Autorin auf der Buchmesse.

Ein Spiel mit Täuschung und Wahrheit: Am Stand von Fischer Sauerländer verschmilzt Bestseller-Autorin Eirin Doom mit ihrem Buchcover

Wer sich hinter Eirin Doom verbirgt

Erin Doom ist das Pseudonym einer jungen Frau, die 2017 damit anfing, auf der E-Book-Plattform Wattpad Texte rund um einen "Tränenmacher" zu veröffentlichen. Ihr richtiger Vornamen ist Matilde, den Nachnamen hält sie weiterhin geheim. 2020 entschied sie, das Buch bei Amazon zu publizieren, 2022 erschien der Text überarbeitet bei Salani und jetzt übersetzt bei Fischer Sauerländer (720 Seiten, ab 16) unter dem Titel "The Tearsmith". "Am Anfang lautete mein Nickname auf Wattpad 'Dreams Eater" – ich liebe Gegensätze. Dann bin ich zu Erin gewechselt, das ist ein irischer Name, mit dem ich weite Landschaften, Natur und Freiheit assoziiere;. Doom steht für Schicksal oder Verderben. Ich bin bis zum Frühjahr 2023 inkognito  geblieben, weil ich in Ruhe weiter Jura studieren wollte und mein Privatleben sehr schätze", erzählt sie. "Andererseits vermuteten die Medien, dass es Erin Doom in Wirklichkeit nicht gebe, dass sich dahinter ein Kollektiv verbergen könnte, dass das Ganze also eine geschickte Inszenierung und Verlagskampagne sei. Dem wollte ich entgegentreten. Und irgendwann war auch die Versuchung groß, direkt mit den Leser:innen Kontakt aufzunehmen, an Buchpremieren teilzunehmen und an Buchmessen. Und jetzt bin ich da", meint sie und lacht entwaffnend.

"Die Auswirkungen auf den Buchmarkt sind enorm"

Wäre sie im verborgenen geblieben, hätte Erin Doom auch nicht in den vergangenen Monaten als Romance-Expertin auftreten können. In diesem Frühjahr kuratierte sie auf dem Salone Internazionale del Libro in Turin den dort erstmals stattfindenden Romance-Bereich. "Wir haben vor allem italienische Autorinnen eingeladen und versucht, die große Bandbreite des Genres darzustellen. Manchmal hatte ich dabei das Gefühl, dass Journalist:innen den Romance-Erfolg als einen Zufall darstellen wollen, nicht als wohlverdienten Erfolg für eine beachtliche Leistung. Die Kritik – gerade bei Dark Romance – verfehlt dabei meines Erachtens ihr Ziel", sagt Matilde. "Die Liebe, auch die körperliche, und die oft schwierigen Zweierbeziehungen, die in den Romanen dargestellt werden, entspringen dem Reich der Fantasie. Das wissen die Leser:innen. Ihnen wird so etwas im Leben nicht passieren. Aber sie genießen die Geschichten beim Lesen."

Erin Doom wehrt sich dagegen, das Genre, das man in Italien oft einfach nur "rosa" nennt, als Literatur zweiter Klasse abzuwerten. Sie sieht die Auslöser für den heutigen Erfolg Ende der Nullerjahre mit Stephenie Meyers "Twilight"-Saga und der danach folgenden Fanfiction, u.a. E. L. James' "Shades of Grey". "Ich glaube, dass wir uns noch ganz am Anfang des Romance-Booms befinden. Wir können jetzt sehen, wie sich das Genre in unzählige Tropes verzweigt. Die Bücher befinden sich weltweit auf den Bestsellerlisten und die Buchmessen nehmen das Genre zunehmend ernst: Die Auswirkungen auf den Buchmarkt sind enorm."