Gegen die Trostlosigkeit
Die Messe fällt aus. Es lebe die Messe. Impressionen von Börsenblatt-Chefredakteur Torsten Casimir aus einer Stadt, die nicht aufhören wird, die Bücher und die Buchmenschen zu lieben.
Die Messe fällt aus. Es lebe die Messe. Impressionen von Börsenblatt-Chefredakteur Torsten Casimir aus einer Stadt, die nicht aufhören wird, die Bücher und die Buchmenschen zu lieben.
Äußerlich lässt Leipzig sich nichts anmerken. Wer genau hinschaut, sieht vielleicht hier und da einen Hinweis auf Preisverleihungen, ein Buchladen hat das Plakat zum Messe-Popup ins Schaufenster gehängt. Aber keine Schülergruppen, keine Pilgerströme Richtung Messegelände, halbleere Bahnsteige, die Straßenbahnen nicht voller als sonst im Jahr, auch nicht die Cafés rund um die Nikolaikirche.
Vor einem dieser Cafés sitzt rauchend Oleksandr Afonin. Er ist Präsident des ukrainischen Verlegerverbands. Vor zehn Tagen hat ihn seine in Deutschland lebende Tochter an der polnisch-ukrainischen Grenze aufgenommen, ihn, seine Frau und den mitreisenden Kater. Die drei mussten Kiew verlassen. Afonin wohnt nun erst einmal bei der Tochter im sicheren Berlin.
Ob er über die Zusammenführung der Familie erleichtert sei? Der 68-Jährige, der einen Großteil seines Lebens darauf verwendet hat, Bücher zu machen, – Bücher zur Philosophie, zur Soziologie, zur Geschichte – antwortet anders als erwartet: „Leider“, sagt er, leider würden Männer in seinem Alter nicht mehr zur Verteidigung ihres Landes gerufen. „Ich wäre sonst geblieben und hätte gekämpft.“
Jetzt kämpft er in Leipzig, mit Worten. Seine Hoffnung auf Unterstützung der Ukraine formuliert er konkret. An befreundete westeuropäische Verlegerverbände richtet er die Bitte, Geldspenden zu sammeln und sie den ukrainischen Kollegen zukommen zu lassen. „Seit dem Beginn von Putins Aggression ist unser Verlagswesen praktisch zum Erliegen gekommen“, berichtet Afonin. Die Idee einer Solidarität der vielen fasst er in ein Sprichwort seiner Heimat: „Wenn man von der ganzen Welt überall einen Faden nimmt, bekommt der Nackte ein Hemd.“ So jedenfalls übersetzt ihn, der nur Ukrainisch und Russisch spricht, ein begleitender Dolmetscher.
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