Ehrengast 2023: Slowenien

Ausschwärmende Literaten

20. Oktober 2022
Redaktion Börsenblatt

Unter dem Motto "Waben der Worte" steht der Auftritt von Slowenien als Gastland der nächsten Frankurter Buchmesse. Im Pavillon hob Kulturministerin Asta Vrečko Literatur und Lesekompetenz als unverzichtbar hervor, Autor:innen gaben Einblick in Sprache und Schreiben.

6.000 Bücher erscheinen jährlich in dem rund zwei Millionen Einwohnerinnen umfassenden Land, umriss Buchmessedirektor Juergen Boos die besondere Lage Sloweniens als Knotenpunkt von vier Sprachen, viele Slowen:innen sprechen mehrere Sprachen. Miha Kovač, Kurator des Gastlandsauftritts, erläuterte, dass Slowenisch eine slawische Sprache sei, die an die germanische, romanische und ugrofinnische Sprachfamilien Grenze. "Mit dem Motto des Gastlandauftritts, 'Waben der Worte', tragen die Verantwortlichen das Bild der ausschwärmenden Literaten in die Welt, die mit vielen Eindrücken zurückkehren und sich dabei auf eine jahrhundertelange literarische Tradition stützen können", so Boos.

Weltweit betrachtet sprächen ja nur sehr wenige Menschen Slowenisch, aber die Sprache sei sehr besonders wegen des Dual, erläuterte die slowenische Kulturminsterin Asta Vrečko: Der Dual ist die "Zweizahl" und bezeichnet in der Sprache immer zwei Lebewesen oder zwei Gegenstände. Vrečko hob die Förderung der Lesekompetenz als nationale Strategie hervor, "sie ist wichtig für die soziale Integration und für die Entwicklung einer nachhaltigen Gesellschaft." Es komme aber nicht nur auf eine gesteigerte Lesekompetenz an, "sondern auch auf die Qualität des Gelesenen." Durch Literatur lerne man, einander zu hören, vom Individuum gehe der Dialog in die Breite.

Jugendliteratur ist viel subversiver

Das Slowenische als Zugehörigkeitsmerkmal versuchte Katja Gasser, Leiterin des Gastlandauftritts auf der Leipziger Buchmesse, als Moderatorin einer Gesprächsrunde zu definieren. "Gehört Slowenien zum Balkan?", konterte Autorin Nataša Kramberger. "Nein!, sagen die Slowenen - aber im Ausland sind sie immer sofort mit Menschen aus Bosnien usw. in einer Ecke zusammen ... Definitionen sind schwierig; jede Aussage wird sofort negiert." In Bezug auf die Sprache habe sie nie ein Bedürfnis verspürt, sich zu definieren, meinte Schriftstellerin Ana Marwan, die in diesem Jahr den Bachmann-Preis erhalten hat. "Letztlich lieben wir Slowenisch als Material für unser Schreiben." Übersetzer Erwin Koestler wies darauf hin, dass das Land wenig internationale Bestseller vorrweisen könne, "es gibt eine periphere, aber ungemein reichhaltige Literatur." Immer wieder bezog sich die Runde auf den Dichter Srečko Kosovel.

Schreibt man heute politisch?, fragte Gasser in die Runde - "viele große slowenische Autoren waren politisch engagiert, aber manchmal war es auch wichtiger, öffentlich zu schweigen, als Protest", erklärte Peter Svetina, Literaturwissenschaftler an der Universität und Autor, Er wies darauf hin, dass viele Autoren zugleich Kinder- und Jugendbuchautoren seien "und man konnte in der Kinder- und Jugendliteratur eine viel größere subversive Kritik am jugoslawischen System beobachten als in der Erwachsenenliteratur." "Wenn wir in einer Gesellschaft leben, können wir nicht unpolitisch sein", schloss Ana Marwan an, "aber Autoren dürfen nicht tendenziös sein, sondern müssen durch Empathie wirken - das ist eine viel stärkere politische Waffe."