Klären Sie uns auf: Was genau macht eine systemische Paar- und Sexualtherapeutin?
Sie geht morgens in ihre Praxis, oder neuerdings auch in Zoom-Meetings, und trifft Menschen, die im Bereich ihrer Partnerschaft und/oder Sexualität Konflikte erleben, die sie mit professioneller Hilfe lösen möchten. Die Themen sind sehr vielfältig: Affären, Erektionsstörung, unterschiedliche sexuelle Wünsche, alle Arten von Paarkonflikten. Es wird nie langweilig.
In diesem Herbst erscheint eine Fülle neuer Sexratgeber. Sind Bücher überhaupt geeignet, Sexprobleme zu lösen?
Ratgeber ermöglichen eine diskrete Beschäftigung mit dem Thema Sexualität, ohne dass Scham überwunden werden muss. Sie eröffnen also etwas. Wie stark Menschen davon profitieren, hängt von der Schwere der Problematik und der Qualität des Ratgebers ab – und davon, wie die Leser*innen gestrickt sind. Zwischen Partner*innen sind sie dann produktiv, wenn beide offen sind für diese Art der (Selbst-)Hilfe. Ungut wird es, wenn ein Partner dem anderen demonstrativ einen Stapel Ratgeber auf den Nachttisch legt, wo sie ungelesen liegen bleiben.
Wie muss ein guter Sexratgeber aussehen?
Das hängt von seinem Inhalt und der Zielgruppe ab. Aufklärungsbücher brauchen eine klare, einladende Sprache, seriöse Informationen, Bilder und diese soft-medizinische Aufmachung. Seriös, aber nicht schwerfällig. Ein Ratgeber für Paare braucht gute Reflexionsfragen, Übungen und überraschende Einsichten. Ich persönlich mag auch komplexere Bücher, die über Rezepte hinausgehen und mögliche Fragen und Probleme nachdenkend beleuchten.
Können Sie einen Klassiker empfehlen?
Schon älter, aber sehr informativ und unheimlich schwungvoll finde ich »Wild Thing. Sextipps for Boys and Girls« (Goldmann). Wenn es um Aufklärung, Mannsein oder die Verbesserung sexueller Fähigkeiten und Fertigkeiten geht, finde ich die Bücher von Ann-Marlene Henning State of the Art.
Hat sich in den vergangenen Jahren etwas in der Kommunikation über Sex verändert?
Im Therapieraum weniger, in den Medien schon. Junge Menschen betonen die Diversität in diesem Bereich ganz natürlich. Eine Rolle spielt auch die Omnipräsenz von Internetpornografie bereits ab dem späten Kindesalter, auch das ist Kommunikation über Sexualität. Spannend ist, dass heute alles koexistiert: die alte Scham, Sexismus, Ängste, Tabus, Verzweiflung über sexuelle Probleme, sexuelle Gefahren einerseits und andererseits die Öffnung für Unterschiede, Debatten über sexual consent, sexuelle Freiheit in ihren besten Formen. Und alles dazwischen.