Aktionen zur Lesförderung

"Kurze Wege für kurze Beine"

20. Juni 2023
Nils Kahlefendt

Auch wenn die Bereitschaft, in Leseförderung zu investieren, nicht groß ist – es gibt gelungene Beispiele, wie man den Nachwuchs erreicht. Konzepte aus Sachsen und darüber hinaus. 

Sich mit Buchstaben und Geschichten die Welt erschließen: Impressionen vom barrierefreien Kinderlesefest »Literatur fetzt!«

Bereits auf dem Fachtag Literaturvermittlung für Kinder und Jugendliche, der im April auf Initiative des Sächsischen Literaturrats stattfand, war der Elefant im Raum mit Händen zu greifen: In der neuen IGLU-Studie zur Lesekompetenz von Viertklässler:innen werde man Schlimmes lesen, so war damals zu hören – mal raunend, mal offen auf den Podien. 

Als die Studie dann am 16. Mai erschien, war klar: 25 Prozent der Kinder in dieser Altersstufe erreichten nicht das Mindest­niveau beim Textverständnis, das sie im weiteren Verlauf der Schulzeit brauchen – 2017 lag der Anteil noch bei 19 Prozent. Der Fachtag beleuchtete das Thema Literaturvermittlung in Vorträgen, Gesprächen und Workshops aus unterschiedlichsten Perspektiven und arbeitete dabei heraus, welche Konzepte gut funktionieren und wo es hapert. Natürlich sollte die Veranstaltung die Akteure miteinander ins Gespräch bringen – und im besten Fall neue, gemeinsame Projekte anregen.

»Bilderbücher sind die ersten Kunstgalerien, die Kinder betreten«, davon war Květa Pacovská überzeugt. Das Zitat der im ­Februar gestorbenen tschechischen Ausnahmekünstlerin führt Christine Lippmann gern an, wenn Mitgliedern der großen Kinderliteraturfamilie mal wieder leicht herablassend ein Platz am Katzentisch des Kulturbetriebs zugewiesen wird. Auch Maxim Gorki wird von ihr in Stellung gebracht, der überzeugt war, dass man für Kinder so schreiben müsse wie für Erwachsene – nur besser. 

Paradebeispiel aus Dresden

Lippman, Sachgebietsleiterin Kulturelle Bildung und Integration an den Städtischen ­Bibliotheken Dresden, ist dort unter anderem verantwortlich für das Programm »Lesestark! Dresden blättert die Welt auf«. Es soll die Lese-, Schreib- und Sprachfähigkeiten von Kita- und Grundschulkindern fördern und gilt als Paradebeispiel gelungener Literaturvermittlung. 

Der Grundgedanke ist, die 20 Stadtteilbibliotheken mit den Einrichtungen in der Nachbarschaft zusammenzubringen. »Kurze Wege für kurze Beine« nennt Lippmann das. Das Projekt, anfangs vor allem auf Problem-Plattenbaubezirke wie Gorbitz oder Prohlis fokussiert und von ehrenamtlichen Lesepaten mitgetragen, wurde 2008 von den Städtischen Bibliotheken, der Bürgerstiftung Dresden und der Schweizer Drosos Stiftung ins Leben gerufen. Aufgrund des großen Erfolgs wurde es 2015 verstetigt. Erreichten anfangs 53 Lesepaten rund 2 200 Kinder, kommen heute 150 regelmäßig geschulte Paten auf ca. 4 800 Kinder im Stadtgebiet. 

Vorbildlich ist die Vernetzung mit anderen Kultursparten; so unterhält »Lesestark!« etwa Kooperationen mit dem Theater der Jungen Generation (»Heute Lesung – morgen Premiere«), den Staatlichen Kunstsammlungen (»Ich sehe was, was du nicht siehst – Die Kunst (zu) lesen«), und auch eine Lesesafari durch den Dresdner Zoo ist im Angebot. Rund 40 000 Euro ­kostet das Programm pro Jahr – gemessen an der immensen Wirkung scheint das nicht viel. 

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