Neue Kolumne von Hermann Eckel über Kooperationen

Krafttraining für die Innovationsfähigkeit

13. Februar 2025
Hermann Eckel

Wie können Firmen erfolgreich Kooperationen miteinander eingehen? Hermann Eckel beleuchtet in seiner neuen Kolumne welche Klärungs- und Abstimmungsprozesse notwendig sind. 

Gemeinsam ist man stärker

Mit anderen Unternehmen gemeinsam neue Produkte entwickeln? Sich dabei in tief die Karten schauen lassen? Womöglich sogar von Mitbewerbern? "Bloß nicht!", denken da die meisten.

Dabei kennen alle in der Buchbranche die Erfolgsgeschichte der tolino-Allianz: Allein hätte es 2013 keiner der großen deutschen Buchhandelsketten Hugendubel, Thalia und Weltbild geschafft, im damals noch jungen E-Book-Markt Amazons Kindle Paroli zu bieten. Doch durch den Zusammenschluss konnten sie einen Marktanteil von über 40% bei E-Book-Readern und im E-Book-Verkauf erobern, den sie bis heute halten – ein weltweit beneideter Wert. Gemeinsam ist man eben stärker.

Kompetenzen gebündelt

Das gilt auch für das Medienhaus brand eins und den Carlsen Verlag. Die beiden Unternehmen haben ihre Kompetenzen gebündelt haben, um gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, was jedes für sich wohl kaum hätte verwirklichen können, nämlich "weil. Das erste Wirtschaftsmagazin für Kinder". Die brand eins brachte das nötige Wirtschafts-Know-how mit, Carlsen die "Kids-Kompetenz". Und so entstand ein Magazin, das in dieser Art tatsächlich völlig neu- und einzigartig ist im deutschen Zeitschriftenmarkt. Seit Oktober 2023 sind acht Hefte in Koproduktion entstanden, und dem Vernehmen nach sind die beiden Partner sehr zufrieden mit der Entwicklung.

Die Vorteile eines kollaborativen Ansatzes liegen also auf der Hand. Und der Fall tolino zeigt, dass sogar Unternehmen, die ansonsten im härtesten Konkurrenzverhältnis zueinanderstehen, in einzelnen Bereichen sehr erfolgreich zusammenarbeiten können.

Sieben zentrale Erkenntnisse für Kooperationen

Dennoch sind die Herausforderungen nicht zu unterschätzen, die besonders in der Innovationsentwicklung mit einer unternehmensübergreifenden Kooperation einhergehen. Welche neuralgischen Punkte dabei zu beachten sind, haben Margitta Schulze-Lohoff von brand eins und Guido Neuhaus von Carlsen letztes Jahr zum ersten Geburtstag des SPACE, dem Co-Working-Raum für die Hamburger Medien- und Digitalbranche, sehr anschaulich vorgetragen. Ihre sieben zentralen Erkenntnisse und Ratschläge für andere Kooperationswillige lauten:

  1. Interessen und Ziele abgleichen
    Die beiderseitigen Ziele und Interessen stimmen nicht zwangsläufig überein und müssen daher vorab explizit abgeglichen werden. Klingt banal, wird aber häufig genug vernachlässigt. Dabei kann es ja durchaus sein, dass der eine Partner mit einem gemeinsamen Projekt möglichst viel Geld verdienen will, während der andere vor allem ideelle Ziele verfolgt.
  2. Klar kommunizieren
    Unterschiedliche Unternehmensbackgrounds bedeuten auch unterschiedliche Annahmen und Vorstellungen davon, wie eine Grundidee umgesetzt werden sollte. Damit sind Missverständnisse und Reibungsverluste vorprogrammiert und noch wahrscheinlicher als bei internen Projekten. Reden hilft. Aktives Zuhören noch mehr.
  3. Aufgabenverteilung klären – und akzeptieren
    Dass Aufgaben- und Verantwortungsbereiche in einer Kooperation eindeutig zugewiesen sein müssen, erscheint ebenfalls als Banalität. Eine Partnerschaft bringt aber nicht nur eine zusätzliche und daher besonders intensiv zu steuernde Komplexität mit sich, sondern rüttelt auch auf beiden Seiten an Gewissheiten, Glaubenssätzen und Identitäten: "Huch! Die anderen kümmern sich um XYZ? Ob die das wirklich können? Warum machen wir das nicht?" Muss man erst mal mit klarkommen.
  4. Prozesse definieren
    Auch in technischer Hinsicht bedeuten Workflows über Unternehmensgrenzen hinweg eine besondere Herausforderung. Das geht schon los bei Systemfragen: Die einen arbeiten mit Windows-PCs, die anderen mit Macs, die einen mit Teams, die anderen mit Zoom … Klar definierte Prozesse werden damit noch wichtiger als sonst.
  5. Formalien "umarmen"
    Formale Themen wie Verträge, Steuern oder Abrechnungen gehören nicht zu den größten Steckenpferden von Menschen in der Kreativbranche. Informelle Kooperationen über Unternehmensgrenzen hinweg bergen aber besonders große Fallstricke. Daher formale Dinge unbedingt am Anfang klären und vertraglich festlegen.
  6. Sich wirklich kennenlernen
    Wie gesagt: Reden hilft. Nur remote zusammenarbeiten hilft dagegen nicht. Denn dann führen die unterschiedlichen Unternehmenskulturen noch leichter zu Missverständnissen. Dem lässt sich nur entgehen, wenn sich die Beteiligten beider Partner wirklich kennenlernen und gegenseitiges Vertrauen aufbauen. Also regelmäßig persönlich zusammenkommen und am besten das gemeinsame Projekt gleich zu Beginn mit einer großen Party feiern.
  7. Einfach machen!
    Trotz allem sind die Beteiligten von brand eins und Carlsen heilfroh, "weil." realisiert zu haben. Sie sind überzeugt, dass die Medienbranche mehr solcher Kollaboration braucht, weil daraus bessere und spannendere Produkte entstehen können. Deshalb die klare Empfehlung: einfach machen! Denn das Ergebnis ist die Mühen wert – was ich persönlich nur bestätigen kann.

No pain no gain

Wenn man sich diese Punkte so anschaut, klingen sie, als wären sie eigentlich auch für die Innovationsentwicklung innerhalb eines Unternehmens bzw. für die interne Zusammenarbeit im Allgemeinen ziemlich sinnvoll, oder? Nur dass es in der Kollaboration mit anderen eben noch stärker auffällt, wenn sie nicht (ausreichend) beherzigt werden. Und allein deshalb sollte man sich den für Kooperationen nötigen Klärungs- und Abstimmungsprozessen stellen: um für die Arbeit im eigenen Unternehmen noch schneller noch besser zu werden.

Innovationsfähigkeit ist wie ein Muskel, den man regelmäßig trainieren muss. Und Kooperationen sind wie besonders harte Trainingseinheiten, die richtig weh tun können, aber dafür auch einen größeren Effekt haben. Oder, wie es im Englischen heißt: No pain, no gain.


Weil. Das erste Wirtschaftsmagazin für Kinder - im Abonnement und im Bahnhofsbuchhandel erhältlich. Nähere Infos hier.

Der SPACE in der Hamburger Speicherstadt (Am Sandtorkai 27, 7. OG) wird von der nextMedia.Hamburg betrieben. Dort stehen 13 kostenlose Arbeitsplätze zur Verfügung, die tageweise von Personen gebucht werden können, die in der Content- und Technologiebranche arbeiten. Weitere Infos 


 

Foto Herrmann Eckel

Hermann Eckel

Nach dem Lehramtsstudium der Germanistik und Geschichte durchlief Hermann Eckel verschiedene Vertriebs­stationen beim Bärenreiter-Verlag und bei Oxford University Press und war von 2010 bis 2016 Managing Director beim Musikverlag Peters. Im Dezember 2017 übernahm er die Geschäfts­leitung bei tolino media und war dort v.a. für den Ausbau der Selfpublishing-Plattform verantwortlich. Seit September 2024 ist Hermann Eckel Chief Digital Officer bei ArchiTangle, einem unabhängigem Buchverlag mit angeschlossenem Tech-Startup. Als Partner des Beraternetzwerks Heinold & Friends begleitet er Unternehmen der Buch- und Druckbranche bei den vielfältigen Aspekten der digitalen, organisatorischen und kulturellen Transformation. Daneben engagiert er sich seit 2019 als Sprecher der IG Digital im Börsenverein.