Autor von „Die verbrannten Dichter“

Jürgen Serke ist tot

15. April 2024
Redaktion Börsenblatt

Am 13. April 2024 ist der Autor und Journalist Jürgen Serke gestorben. Das teilte der Wallstein Verlag mit.

Jürgen Serke wurde am 19. April 1938 in Landsberg an der Warthe, dem heutigen Gorzów Wielkopolski geboren. Er war von 1961-1969 bei der Nachrichtenagentur UPI in Frankfurt am Main beschäftigt und berichtete 1967/68 aus der damaligen Tschechoslowakei über den Prager Frühling. Von 1970-1983 arbeitete er als Autor beim „Stern“, von 1984-1989 für die „Weltwoche“ Zürich und von 1990-1992 bei der „Welt“. 

Im Mittelpunkt seiner journalistischen Arbeit stand der Widerstand der Schriftsteller gegen die beiden Totalitarismen des 20. Jahrhunderts.

Mit seinem aus einer Serie im „Stern“ hervorgegangenen Buch „Die verbrannten Dichter“ (1977) leitete er in der Bundesrepublik Deutschland die Wiederentdeckung jener Autoren ein, deren Werke 1933 von den Nazis verbrannt wurden. Dieser Buchtitel wurde zum Gattungsbegriff für eine ganze Literatur. „Ohne Jürgen Serke wären viele dieser Autorinnen und Autoren heute noch vergessen“, so Jürgen Joseph Kaumkötter vom Zentrum für verfolgte Künste in Solingen.

Das Buch „Die verbannten Dichter. Berichte und Bilder einer neuen Vertreibung“ (1982) stellte die Dichter des Widerstands gegen den kommunistischen Totalitarismus in den Mittelpunkt und zeigte deren Autoren im westlichen Exil beim Versuch, in einer fremden Welt wieder Fuß zu fassen.

In dem Buch „Böhmische Dörfer. Wanderungen durch eine verlassene literarische Landschaft“ (1987) stellte Jürgen Serke die zuerst vom NS-Regime und dann vom Kommunismus zerstörte deutschsprachige Literatur der Tschechoslowakei dar und fügte sie wieder in die tschechische Geschichte ein.

Das Buch „Zuhause im Exil. Dichter, die eigenmächtig blieben in der DDR“ (1998) präsentierte schließlich Leben und Werk jener Dichter, die in der DDR blieben, das SED-Regime bekämpften und sich in ihrem Widerstand an den Autoren der Charta 77 orientierten.

Mit Hajo Jahn, dem Vorsitzenden der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft, war Jürgen Serke 1992 Initiator und Organisator der Aktion „Dichter lesen in Asylbewerberheimen. Es war eine Reaktion auf die Anschläge von Asylbewerberheimen in Hoyerswerder, Rostock und Hünxe. An der Aktion am 9. November 1992 beteiligten sich u.a. Sarah Kirsch, Wolf Biermann, Herta Müller, Rainer Kunze, Hans Joachim Schädlich, Günther Grass, Peter Schneider, Sten Nadolny. Der Aktion schlossen sich die Stiftungen der SPD, der CDU, der Grünen an, der Börsenverein des deutschen Buchhandels, die Initiative gegen Gewalt und Fremdenhass, in der sich 60 deutsche Verlage zusammengefunden hatten, und die deutsche Janusz-Korczak-Gesellschaft an.

2008 wurde Jürgen Serkes Sammlung von Büchern, Bildern und Dokumenten von der Else-Lasker-Schüler Stiftung übernommen und unter dem Titel „Himmel und Hölle zwischen 1918 und 1989“ im Solinger Museum gezeigt. Gemeinsam mit der Sammlung bildender Kunst wurde das Museum zum einzigen Zentrum der verfolgten Künste. Die Literatursammlung ist heute Teil der „Bürgerstiftung für verfolgte Künste – Else Lasker-Schüler Zentrum – Kunstsammlung Gerhard Schneider“.

Zum 90. Jahrestag der nationalsozialistischen Bücherverbrennung erschien das Buch „Die verbrannten Dichter“ (Wallstein Verlag 2023) in neuer Gestalt und fand große Aufmerksamkeit.

Für sein Werk erhielt Serke 1992 den Alexander-Zinn-Preis der Hansestadt Hamburg. 2002 wurde er anlässlich der tschechischen Übersetzung der „Böhmischen Dörfer“ in Prag mit dem Literaturpreis „Magnesia“ ausgezeichnet. 2011 erhielt er in Prag als erster Deutscher die Václav-Benda-Medaille für seine „bedeutende Rolle im Kampf für die Wiederherstellung von Freiheit und Demokratie der Tschechoslowakischen Republik“. 2012 erhielt er in Bremen den Kunstpreis zur deutsch-tschechischen Verständigung. Das tschechische Außenministerium verlieh ihm 2017 den Gratias-Agit-Preis.