Interview mit Insolvenz-Verwalter Tobias Wahl

Das ungeliebte "I-Wort"

3. Juli 2020
Christina Schulte

Im Interview mit dem Börsenblatt spricht der Insolvenzverwalter Tobias Wahl, der auch das Insolvenzverfahren von KNV begleitet hat, über die Vor- und Nachteile einer Insolvenz in Eigenverwaltung.

Durch die Corona-Krise und die damit verbundenen Umsatz­einbußen geraten viele Firmen in finanzielle Turbulenzen – einige, wie jüngst der Verlag teNeues Media, entscheiden sich deshalb für eine Insolvenz in Eigenverwaltung. Welche Vorteile hat dieses Verfahren? 
Bei guter Vorbereitung ist der wesentliche Vorteil der Eigenverwaltung, dass die Stabilisierungsphase zu Beginn des Verfahrens deutlich schneller abgeschlossen werden kann. Außerdem lässt sich die Unruhe in der Belegschaft und im Kunden- und Lieferantenkreis besser kontrollieren. Somit können alle Beteiligten von Beginn an den Blick auf die Bewältigung der Krise richten. Eine Spielart der Eigenverwaltung ist das sogenannte Schutzschirmverfahren. Der Begriff kommt im Gesetz zwar gar nicht vor, hat sich aber eingebürgert, weil die Assoziation des schutzbedürftigen Unternehmens natürlich viel reizvoller ist als die des Schuldners, der seine Gläubiger nicht mehr bezahlen kann. Auch das Schutzschirmverfahren mündet in ein Insolvenzverfahren – man vermeidet nur das ungeliebte »I-Wort«.

Wie gut stehen die Chancen, das eigene Unternehmen zu retten?
Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, das Verfahren gut vorbereitet und hat das Unternehmen zumindest im Kern ein tragfähiges Geschäftsmodell, eröffnen die Instrumente der Insolvenzordnung durchaus Chancen für die Fortführung des Unternehmens und den Erhalt von Substanz und Arbeitsplätzen. So kann das Unternehmen zum Beispiel nachteilige langlaufende Dauerschuldverhältnisse wie Leasing- oder Miet­verträge beenden. Soweit erforderlich, hat es auch die Möglichkeit, Personalmaßnahmen mit kürzerer Kündigungsfrist durchzuführen. Das Insolvenzverfahren schafft einen institutionalisierten Rahmen und einen gewissen – auch zeitlichen – Druck für die Beteiligten, sich über die beste Lösung der Krisensituation zu verständigen.

Welche Rolle fällt der Geschäftsführung zu?
Mit der Eigenverwaltung kann die Geschäftsführung eine aktive Rolle einnehmen und konsequent und rechtzeitig die notwendigen Sanierungsschritte umsetzen. Wenn sich das Unternehmen und seine ­Gesellschafter mit den Gläubigern in einem Insolvenzplan auf eine Sanierung einigen, können der Unternehmer oder die Gesellschafter ihr Unternehmen sogar behalten.
 

Die gesetzgeberischen Maßnahmen haben eine Welle von Insolvenzanträgen bisher verhindert.

 

Tobias Wahl

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