Grande Dame der Freud-Forschung

Ilse Grubrich-Simitis ist tot

21. August 2024
Redaktion Börsenblatt

Die Psychoanalytikerin Ilse Grubrich-Simitis, die über Jahrzehnte die Editorin der Werke Sigmund Freuds bei S. Fischer war, ist am 8. August mit 88 Jahren gestorben. Das teilte der Frankfurter Verlag mit.

Ilse Grubrich-Simitis

Ilse Grubrich-Simitis, geboren am 22. Februar 1936, galt international als Grande Dame der Freud-Forschung und verfasste einschlägige Bücher, unter anderem "Zurück zu Freuds Texten" (1993) und "Michelangelos Moses und Freuds 'Wagstück'" (2004), die in viele Sprachen übersetzt wurden, schreibt S. Fischer in einem Nachruf. Zudem sei sie zusammen mit Ernst und Lucie Freud Herausgeberin der Maßstäbe setzenden Bildbiographie "Sigmund Freud: Sein Leben in Bildern und Texten" gewesen. In den letzten Jahren und Jahrzehnten habe ihr Engagement ganz besonders der Herausgabe der fünf Bände der "Brautbriefe" von Sigmund Freud und seiner Verlobten Martha Bernays gegolten. Den letzten, fünften Band konnte sie noch abschließen, er wird im Herbst 2025 erscheinen.

Ilse Grubrich-Simitis erhielt 1998 den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

Vor ihrer Tätigkeit bei S. Fischer studierte sie an der legendären Ulmer Hochschule für Gestaltung, heißt es weiter. Die dort praktizierte Interdisziplinarität, Internationalität und "das Ideal von Einfachheit und Eleganz", wie sie es einmal formulierte, prägten ihre zukünftige Arbeit. An der HfG kam sie durch die Vermittlung von Inge Scholl und Otl Aicher mit Tutti und Gottfried Bermann Fischer in Kontakt. Bis zuletzt blieb sie bei S. Fischer zuständig für die Psychoanalyse und das Werk Sigmund und Anna Freuds. Monika Schoeller war sie eine enge Vertraute und wichtige Gesprächspartnerin, auch in Fragen der Verlagsgeschichte.

In ihrer Dankesrede für den Freud-Preis habe Ilse Grubrich-Simitis an Freuds Prosa dessen "vorbildliche Höflichkeit gegenüber dem Leser" gelobt. "Man könnte das auch auf sie beziehen", schreibt S. Fischer. "Mit offenen Ohren wie mit offenem Herzen, 'mit der größten Achtung vor dem, was wir nicht wissen' (wie sie über Freud geschrieben hat), eigensinnig und geradlinig, dabei so zugewandt wie entschieden, kannten wir sie." Ihre Haltung, ihre diskrete und doch bestimmte Art sei gänzlich den Werten S. Fischers verpflichtet gewesen. "Wir werden sie vermissen."

Ihre psychoanalytische Ausbildung erhielt Ilse Grubrich-Simitis laut "Psychoanalytikerinnen. Biografisches Lexikon" zwischen 1972 und 1978 an dem von Alexander Mitscherlich geleiteten Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt (SFI). Sie war Mitglied, Lehranalytikerin und Supervisorin der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung und führte eine private Praxis in Frankfurt am Main. Zudem war sie Mitglied in zahlreichen Fachvereinigungen und Mitherausgeberin des "Jahrbuchs der Psychoanalyse". Verheiratet war Grubrich-Simitis mit dem Rechtswissenschaftler Spiros Simitis (1934–2023) und sie lebte zuletzt in Königstein im Taunus.