Nachdem Sie körperlich angegriffen wurden, haben Sie sich einer rechtsmedizinischen Untersuchung in der Gewaltschutzambulanz der Charité unterzogen und dieses Dokument, aus dem auch die Bilder mit Ihren Verletzungen stammen, ebenfalls im jetzt erscheinenden Titel veröffentlicht. Häufig zeigen Menschen, die sexuelle, psychische oder physische Gewalt erfahren haben, diese nicht an und öffnen sich nicht gegenüber Ärzt:innen. Wie haben Sie diese medizinische Untersuchung erlebt?
Legouez: Die Gewaltschutzambulanz ist geschult auf Gewalterfahrungen. Es sind auch nur Frauen, die total sensibel und lieb sind. Es ist mir ja mehrmals passiert, aber ich bin nur nach dem ersten Mal hingegangen. Später habe ich gar nichts mehr dokumentieren lassen, sondern manchmal selbst Fotos gemacht. Es war natürlich auch krass: Wenn man seine Geschichte erzählt und dann die schockierten Gesichter sieht, begreift man erst, wie schlimm es ist, was einem widerfahren ist.
Haben Sie Anzeige erstellt?
Legouez: Nein, bis heute nicht, weil einem davon ja meistens auch abgeraten wird. Man kann sich fragen, ob zurecht oder nicht. Im Endeffekt weiß man nicht, ob die Sache überhaupt vor Gericht landet, man weiß ja noch nicht mal, ob die Staatsanwaltschaft überhaupt eine Anklage schreibt. Natürlich ist es besser, anzuzeigen. Im Nachhinein denke ich mir, ich hätte es machen sollen, auch um andere Frauen zu schützen. Das war bestimmt nicht das erste Mal, das er sowas gemacht hat und wird wahrscheinlich auch nicht das letzte Mal gewesen sein. Das ist etwas, was ich bereue. Auf jeden Fall. Aber damals wäre ich nicht in der Lage gewesen, das durchzustehen – dann wäre ja auch wieder Kontakt hergestellt worden.
Weil die angezeigte Person die Kontaktdaten des Anzeigenden erhält, oder?
Legouez: Ja, genau. Da müsste sich auf jeden Fall etwas ändern. Es kann auch bis zu zwei Jahre dauern, bis es zum Prozess kommt, und man möchte ja auch weitermachen. Aber es muss jeder für sich selbst wissen.
Im Rahmen der Möglichkeiten auch.
Legouez: Genau, man braucht ja auch Geld für Anwälte und andere Kosten, es ist ja auch eine finanzielle Sache.