Platschke nahm auch an der folgenden "Best Practice Diskussionsrunde" mit Nadja Kneissler (Verlagsleiterin Buch, Delius Klasing und Vorsitzende des Verlegerausschusses, Börsenverein des Deutschen Buchhandels) und Anke Oxenfarth (Leiterin Stabsstelle Nachhaltigkeit, Oekom Verlag) teil, die das Thema Nachhaltigkeit auf die Buchbranche herunterbrach. Aufgefordert von Moderator Torsten Casimir, berichteten die beiden Verlagsfrauen zunächst, wie der "Brand Belief" aktuell in ihren Häusern aussieht.
"Wir wollen Nachhaltigkeit, obwohl wir nicht von einem optimalen Podest starten", sagte Nadja Kneissler mit einem Augenzwinkern – denn Delius Klasing mache Bücher, etwa über Luxusautos und Yachten, die inhaltlich weit weg vom Thema seien. Aber es gebe auch Kooperationen mit Greenpeace, und man habe ein "Fridays for Future"-Buch im Programm. Man sei gerade dabei, die Leichen im Keller zu betrachten, so Kneissler, die sich freut, dass die Mitarbeiter*innen voll mitziehen und eigene Ideen für mehr Nachhaltigkeit einbrächten. Sie betonte, dass der Prozess Zeit brauchen werde. Das "Fridays for Future"-Buch sei das erste klimaneutral hergestellte Buch von Delius Klasing gewesen, so Kneissler, und, "ich plaudere aus dem Nähkästchen", im Bereich Corporate Publishing habe Porsche das prima gefunden, wolle künftig auch solche Bücher machen.
Anke Oxenfarth erklärte, sie habe den Vortrag von Kai Platschke etwas "grinsend" angeschaut, weil es der Oekom Verlag in den letzten 30 Jahren schon so gemacht habe wie in seinem Modell. Nachhaltigkeit sei, das zeige schon der Name des Verlags, die Unternehmens-DNA. "Theoretisch wissen wir sehr lange, was zu tun ist." Eine Leiche im Keller gebe es aber auch, die Bank nämlich, mit der man zusammenarbeite. Ein Wechsel zu einer Öko-Bank würde einen kleinen Verlag allerdings vor kaum lösbare Schwierigkeiten stellen.
Was könnten konkrete erste Schritte sein? Ein Verzicht auf Einschweißfolie wird schon länger von Verlagen praktiziert, so auch von Delius Klasing. "Die Resonanz aus dem Buchhandel war großartig", so Nadja Kneissler. Aber auch die Verbraucher*innen müssten umdenken: "Wenn der Schutzumschlag mal einen Kratzer hat, ist es nicht so schlimm". Man müsse wieder mehr daran denken, wofür "Schutzumschläge" eigentlich einmal gedacht waren. Bei Oekom verzichte man schon seit einigen Jahren auf Schutzumschläge, berichtete Oxenfarth, und es gebe nur wenige Rückläufe. "Der Megatrend Nachhaltigkeit spielt uns in die Karten", findet sie.
Im Chat, in dem die Teilnehmer*innen fleißig mitdiskutieren, machte Andrea Ballhause einen interessanten Vorschlag: "Wenn das eigentliche Buch einen tollen Buchdeckel hätte und der Schutzumschlag etwas dröge aussähe (also umgekehrt, wie es jetzt ist!), dann würden Macken im Schutzumschlag sicherlich weniger angemerkt werden." Man kann hier natürlich entgegenhalten, dass der Umschlag auch als 'Werbefläche' für das Buch dient. Also besser gleich ganz darauf verzichten, wie es etwa auch Delius Klasing größtenteils tut?
Was sind die größten Baustellen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit in der Buchbranche? Hier nannten die beiden Verlagsfrauen unter anderem:
- "Irgendjemand muss es bezahlen, Bio-Lebensmittel sind auch teurer" (Oxenfarth)
- Der Logistik-Bereich müsse mit einbezogen werden. Manche Bücher würden mehrfach transportiert, hier müsste es anders gehen (Kneissler)
- PoD sehen beide als wichtigen Baustein, um etwa Remissionen zu verringern (Kneissler: "Man kann Auflagen gezielter steuern"; Oxenfarth: "Jedes Buch, das nicht vernichtet werden muss, ist eines, das einen Baum rettet")
- Während Kneissler zunächst auf eine Selbstverpflichtung der Branche setzt, ist Oxenfarth hier etwas skeptischer.
- Es brauche auch von der Politik Vorgaben oder Hilfen, die nachhaltiges Produzieren erleichtern (Oxenfarth). Das bejaht Kneissler für bestimmte Bereiche.
Oxenfarth wünscht sich zudem ein vom Börsenverein koordiniertes Vorgehen der Branche zum Thema Nachhaltigkeit – und betont vehement: "Es ist Schluss mit reden, wir müssen jetzt einfach etwas tun!"
Kai Platschke empfiehlt als einen möglichen Leitfaden den Bericht von "GermanZero": https://germanzero.de/
Im Anschluss starteten Praxissessions, die einzelne Aspekte noch weiter vertieften. Am Abend folgt ab 19 Uhr eine Lesung mit Carina Wohlleben: "Die Welt ist noch zu retten – Konsum reduzieren, Lebensqualität gewinnen, die Klimabilanz verbessern". Und im Anschluss eine Austauschs- und Diskussionsrunde: Wir und die Nachhaltigkeit.
"Irgendjemand muss es bezahlen, Bio-Lebensmittel sind auch teurer" Sogenannte Biolebensmittel sind teuer, weil sie zum größten Teil nicht aus der Region, oft noch nichtmal aus Deutschland geliefert werden. Desweiteren weil sie nicht in Folie verpackt sind, daher eher verderben und entsorgt werden. Eine Gurke in Folie und ein eingeschweißtes Buch sind wesentlich nachhaltiger als ohne Folie. Das Buch ist auch noch als Neubuch verkaufbar, obwohl es durch zahlreiche Hände ging.
Die Äußerungen aus dem Hause Delius Klasing lese ich so, daß man sich den neuen grün-linken Machthabern andienen möchte. Man hofft, weiterhin ungestört seinen Geschäften nachgehen zu dürfen. Was sich als Irrtum herausstellen wird.
"Jedes Buch, das nicht vernichtet werden muss, ist eines, das einen Baum rettet". Was für eine inhaltsleere Aussage! Jedes Buch wird eines Tages vernichtet. Ich erkenne da mal wieder die Tendenz, Gedrucktes wegen angeblicher Ressourcenverschwendung beschränken zu wollen. Tatsächlich geht es darum, die Meinung des Anderen zu beschränken. Hatten wir schon. Als es noch vor 2015 regieriungskritische Zeitungen in Deutschland gab, forderte der öffentliche Rundfunk dazu auf, nur noch diesen zu konsumieren. "Jede nicht gedruckte Zeitung rettet Bäume", hieß es damals.