Absage der Leipziger Buchmesse

"Es fehlt das Menschliche, Zufällige, Magische."

9. Februar 2021
Sabine Cronau

Schon die dritte Saison ohne Buchmesse: Autorin Jackie Thomae über Leben und Schreiben im Lockdown.

Wären Sie Ende Mai in Leipzig gewesen?
Wenn eine Einladung zu einem Podium oder einer Party gekommen wäre, dann sicher. Die meisten Autorinnen und Autoren besuchen ja vor allem dann die Messe, wenn ein neues Buch erscheint. Für alle, die in diesem Frühjahr mit ihren Büchern nach Leipzig fahren wollten, tut mir die Absage unglaublich leid. Denn es ist so wichtig, dass die neuen Werke auf der Buchmesse gefeiert werden – ob nun in Leipzig oder Frankfurt. Da bleibt nur die Hoffnung auf den Oktober …

Ihr Roman »Brüder« ist im Oktober 2019 gefeiert worden. Damals stand er auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Hätte 2020 ohne Corona nicht eigentlich »Ihr Jahr« werden müssen?
Unter dem Strich hatte ich noch großes Glück, denn ich habe die Aufmerksamkeit, die vielen schreibenden Kolleg*innen jetzt fehlt, für mein Buch noch bekommen – mit vielen Interviews und Lesungen im Herbst und Winter. Ende Februar kam dann noch die Auszeichnung mit dem Düsseldorfer Literaturpreis dazu. Den konnte ich aber leider schon nicht mehr persönlich entgegennehmen.

Fehlen Ihnen die Lesungen im Lockdown?
Wenn es gut läuft, dann ist man nach einem neuen Buch ein Dreivierteljahr lang unterwegs. Es ist sehr schön, durchs Land zu reisen – aber irgendwann muss man auch wieder zum Schreiben zurückfinden. Von daher mache ich im Moment das, was ich in der Regel mache: Ich sitze zuhause am Schreibtisch und nutze die Zeit. Drinnen zu sein, das ist einfach Teil meiner Arbeit und fällt mir nicht schwer. Veranstaltungen sind eher ein schöner Nebenverdienst, aber nicht das, wovon ich lebe. Das ist bei Musiker*innen und Theater-Ensembles ganz anders. Wir Schreibenden haben es da aus meiner Sicht noch vergleichsweise gut.

Hat der Lockdown Folgen für Ihre Arbeit als Drehbuchautorin?
Gedreht wird zum Glück nach wie vor, wenn auch unter sehr teuren und aufwendigen Hygienekonzepten. Stoffe sind gesucht – weil ja auch viele Filme geguckt werden! Beruflich hat sich für mich also gar nicht so viel verändert. Was ich vermisse, das sind die spontanen Begegnungen mit Menschen. Und ich mache mir Sorgen um Berlin, um das, was diese Stadt ausmacht: Ich hoffe wirklich, dass die Restaurants und Läden diese Zeit überleben werden! 

Machen Sie sich auch Sorgen um die Zukunft der Buchmessen? Schließlich sind Sie in Leipzig und folglich mit der räumlichen Nähe zur Frühjahrsmesse groß geworden …
Nein, um die Messen mache ich mir keine Sorgen. Ich glaube, wir alle merken gerade mehr denn je, wie sehr wir das Menschliche, das Zufällige, das Magische brauchen – und damit auch so etwas wie Buchmessen. Der Einladungslink zu einem Online-Meeting kann vor allem die vielen Zufallsmomente eines Messetags nicht ersetzen, weder bei geschäftlichen noch bei privaten Terminen.

Wird die Zoom-Konferenz nach der Pandemie für Sie wieder Geschichte sein?
Natürlich gibt es Termine, die sich digital viel einfacher organisieren lassen. Zum Beispiel habe ich für das Goethe-Institut in Südamerika und Skandinavien zwei Online-Lesungen gemacht. Das ist sicher sinnvoller, als für einen Auftritt dorthin zu fliegen. Aber im Buchhandel und auf Messen, da wünsche ich mir so bald wie möglich persönliche Gespräche zurück – und die Begegnung mit dem Publikum, das in der Buchhandlung einen netten Abend verbringt.

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