"Eine Messe ohne Aussteller ist keine Messe"
Die Entscheidung der Frankfurter Buchmesse, die Hallenausstellung abzusagen, hat in den Medien ein geteiltes Echo ausgelöst. Eine Auswahl aktueller Pressestimmen.
Die Entscheidung der Frankfurter Buchmesse, die Hallenausstellung abzusagen, hat in den Medien ein geteiltes Echo ausgelöst. Eine Auswahl aktueller Pressestimmen.
Fragt sich nur, was hält eine Messe zusammen, wenn es keine Messehallen und keine persönlichen Begegnungen gibt? Und wer von auswärts wird zu so einer "Nicht-Messe" fahren? Der wirtschaftliche Schaden für die Messe, die Stadt Frankfurt und die Branche wird enorm sein. Immerhin fließen ein paar Millionen Unterstützung aus dem Fonds der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM).
Über all dem steht die bange Frage: Wird die Buchmesse je wieder zu dem Treffen der Medien-Menschen weltweit werden, das sie einmal war? Mit drangvoller Enge, fröhlichen Feiern die Nächte hindurch, mit der tatsächlichen Begegnung von Autorinnen und Autoren und Publikum? Juergen Boos weiß, dass diese Frage die Branche umtreibt. Er sagt in beschwörendem Ton: „Die alte Messe wird es wieder geben.“ Gerade in Zeiten zunehmender Digitalisierung bleibe die persönliche Begegnung entscheidend.
Man muss die Verantwortlichen ja bewundern dafür, wie tapfer sie das, was von ihrem Großevent übrig geblieben ist, noch als Erfolg verkaufen. Wie sie, wie Börsenvereinsvorsteherin Karin Schmidt-Friderichs, die Frankfurter Buchmesse als „ein sich ständig weiterentwickelndes Unternehmen“ bezeichnet: „Lebendig, agil und anpassungsfähig“. Ist das jetzt unfreiwillig komisch? Galgenhumor? Oder gar Ironie?
Nicht zuletzt die Verlage, die allen Widrigkeiten zum Trotz bereit waren, an der Boutique-Messe festzuhalten und alle Energie in deren Vorbereitung steckten, müssen sich jetzt düpiert fühlen. Sie hätten Zeit, Kraft und Geld besser aufwenden können, um ihre Bücher und deren Autoren ins Gespräch zu bekommen. Ein frühzeitig klarer Schritt wäre ein Signal
gewesen. Jetzt haftet dem Digitalauftritt, der vom Bund mit vier Millionen Euro unterstützt wird, Zweitklassigkeit an.
erfindet«. Wie will man denn mit einer solchen taktischen Rhetorik einer kulturell interessierten Gesellschaft, der Politik und den Steuerzahlern erklären, warum die Branche in dieser gegenwärtigen, nicht selbstverschuldeten Krise ideelle und finanzielle Unterstützung braucht? Und nach innen: Warum haben wir trotz aller berechtigten Warnungen, quasi aus Trotz und um zu zeigen, dass die Buchmesse nicht irgendeine beliebige Veranstaltung ist, uns zur Messe angemeldet, wenn jetzt so getan wird, also ob es eine Messe auch locker ohne unsere Stände geben kann. Warum haben Buchmesse und Börsenverein immer wieder und zu Recht die besondere Rolle der Frankfurter Buchmesse als internationales und nationales Kulturereignis hervorgehoben, wenn es: jetzt heißt - wir können es ohne Probleme auch anders, ohne alle Besucher, ohne alle Bücher, ohne alle Verlage. Und wie sollen wir mit dieser Argumentation innerhalb unserer Branche und gegenüber den befreundeten ausländischen Verlagen und Agenturen deutlich machen, dass es 2021 wieder richtig, in bewährter Form (gerne auch mit virtuellem Beiwerk) weitergehen soll? Das fragt sich Dr. Rainer Nitsche, Transit Buchverlag.
der Produktname Frankfurter Buchmesse bezieht sich doch heute nicht mehr nur auf eine Hallenschau. Es gibt die FBM in anderen Ländern, es gibt sie online, es gibt sie während dem Jahr, es gibt Veranstaltungen der FBM unter dem Jahr etc. Und das gilt für die meisten anderen Messen genau so. Auch diese haben ihre Hallenschau abgesagt. Und gleichzeitig mit Alternativkonzepten versucht Umsatz zu retten und ihre Funktionen für die Kunden wenigstens teilweise im Netz oder auf anderen Wegen zu erfüllen.
Zur Frankfurter Buchmesse gehört, dass die Leser Bücher entdecken können, dass Journalisten über Bücher reden, dass Buchthemen in den Medien Raum bekommen. Zur FBM gehört der Buchpreis und der Friedenspreis, dazu gehört die Ausstellung der Stiftung Buchkunst, dazu gehören Lesungen, eine Eröffnungsveranstaltung mit Politik, dazu gehören zahlreiche Meetings von Organisationen und IGs und vieles mehr. Das alles kann man auch auf anderem Weg, digital realisieren.
Die Ankündigung von Hern Orthey von Lünebuch hat doch angedeutet, wie viel machbar ist, wenn wir wollen und wenn wir uns engagieren.
Dass bis zur Absage der Hallenschau hinter den Verlautbarungen der Messe und vieler Verlage sehr viel Trotz steckte, das war doch für alle spürbar. Darauf kann man stolz sein, der wird ja nicht dadurch entwertet, dass man jetzt sachlich eine andere Entscheidung trifft. Und niemand behauptet, dass man "ohne Probleme auch anders könne". Man kann anders. Sollte es "ohne Probleme" sein, dann wird die Messe 2021 fundamental anders aussehen. Weil sie sich weiter entwickelt hätte. Ich vermute aber, dass wir erleben werden, wie wichtig die Hallenschau ist. Und dann werden wir das, was wir in diesem Jahr neu erfinden und als gut empfinden beibehalten und mit dem verknüpfen, was uns in diesem Jahr gefehlt hat. In jedem Fall wird die Messe eine andere werden. Und wenn wir es richtig machen, dann wird sie eine (noch) bessere.
Herzlichst, Ihr Matthias Ulmer