Manuel Müller wirft der Herausgeberin des Tage- und Notizbuchbandes nun in der NZZ vor, sich nicht differenziert genug mit dem Antisemitismus Highsmiths auseinanderzusetzen. Es genüge nicht, von "abfälligen Äußerungen" zu sprechen, die Leserinnen und Leser "als beleidigend empfinden, insbesondere wenn sie sich, wie es zuweilen der Fall ist, gegen ohnehin schon marginalisierte Gruppen wie Afroamerikaner oder Juden richten" (Zitat Vorwort). Dagegen Müller: "Die Aussagen sind schlicht antisemitisch, es geht nicht um emotionale Betroffenheit." Die Streichungen hätte man konsequent vornehmen müssen, so Müller: "Doch das ist nicht der Fall."
Kurzanalyse
Die Frage bei alldem ist, ob der (im Alter sich steigernde) Antisemitismus Patricia Highsmiths ihr Werk insgesamt kompromittiert – eine Frage, die sich philosophische Fachwelt und philosophisch interessierte Öffentlichkeit im Falle Martin Heideggers stellten. Als seine "Schwarzen Hefte" mit dezidiert antisemitischen Notaten in der Werkausgabe erschienen, war der große Autor von "Sein und Zeit" für viele erledigt. Andere wiederum hielten an der Integrität seines Werks fest.
Liegt nun auch über Patricia Highsmiths Werk ein dunkler, antisemitischer Schatten? Sind ihre Romane nun deshalb kontaminiert? Diese Schlussfolgerung zu ziehen, würde der literarischen Qualität und Eigenständigkeit von Werk und Autorin nicht gerecht. Eine gesonderte Aufarbeitung von Highsmiths Antisemitismus, die auch die Streichungen der Leseausgabe in den Blick nimmt, wäre dennoch hilfreich – allein schon deshalb, um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, man wolle um jeden Preis Beschädigungen der Krimi-Ikone vermeiden.