Corona-Viren kennen wir inzwischen. Aber es gibt auch virale Ideen, die zu Ideologien werden, weil ihre scheinmoralischen Rechtfertigungen akzeptiert werden. So konnten sich identitäre Ideologien von rechts und links ausbreiten. Für die einen ist die Volkszugehörigkeit der entscheidende Identitätsmarker, für die anderen die Zugehörigkeit zu einer wirklich oder scheinbar unterdrückten Gruppe.
Diese identitären Bewegungen verbreiten sich zu einem Zeitpunkt, an dem die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz in den westlichen Demokratien weitestgehend erreicht ist. Weil es dennoch Armut, Bildungsferne, Benachteiligung und Ausgrenzung gibt, genügt bestimmten Gruppierungen
bürgerliche Rechtsgleichheit nicht mehr, sie streben absolute Gleichheit an.
Doch Gerechtigkeit besteht nicht in Gleichheit. Wäre dem so, würden sich die Rechte eines Menschen daran bemessen, was andere haben. Die Gerechtigkeit der Menschen- und Bürgerrechte ist jedoch eine non-egalitäre Gerechtigkeit. »Ergebnisgleichheit« ist nicht zu erreichen, an »Chancengleichheit« aber muss in jeder Gesellschaft immer neu gearbeitet werden. Maßgeblich für solche »Gerechtigkeitsarbeit« war vor bald 2 000 Jahren schon Paulus. Bei ihm ist nicht Jude noch Grieche, nicht Sklave noch Freier, nicht Mann noch Frau; alle sind »einer in Christus Jesus« (Galater 3,28). Der Mensch ist universal und sollte nicht in einander bekämpfende Gruppen sortiert werden. Das hat immer schon die Welt verdunkelt.