Matthias Hansl über die neue Edition Mercator bei C.H. Beck

Debattenbücher, die überraschen

4. Juni 2021
Michael Roesler-Graichen

Mit unkonventionellen Sichtweisen sollen sie das Lesepublikum neugierig machen, typische Reflexe öffentlicher Debatten vermeiden: die Bände der neuen Buchreihe Edition Mercator, die im Herbst startet. C.H. Beck-Lektor Matthias Hansl über Konzept und Themen.

Die ab Herbst 2021 laufende Edition Mercator soll eine Buchreihe sein, die Debatten eine "neue Richtung" geben soll. Was macht das "Neue" aus?
"Neu" sind die Perspektiven, die sich nach der Lektüre auf aktuelle Themen von hoher politischer und gesellschaftlicher Relevanz ergeben. Ziel ist, dass sich bei den Leser:innen ein Überraschungseffekt einstellt – dass sie neben erwartbaren Problemdiagnosen neue, unkonventionelle Sichtweisen kennenlernen. Die Autor:innen der Edition Mercator verfügen auf ihrem Gebiet jedenfalls über ein hohes Maß an Expertise. Nur deshalb dürfen wir als Verlag etwas vollmundig ankündigen, Debatten mit den einzelnen Bänden eine neue Richtung zu geben.

Es sind kontroverse Themen wie die Restitution geraubter Kulturgüter, die Renaissance von Grenzregimes oder die Krise der liberalen Weltordnung. Spiegeln die Bände jeweils Position und Gegenposition oder vertreten sie die Ansicht eines bestimmten Lagers?
Weder noch. Die Edition Mercator wird kein vorgefertigtes Lagerdenken bestätigen, auch wenn das gerade en vogue ist. Dagegen spricht schon die wissenschaftliche Redlichkeit der Autor:innen. Nehmen wir das Beispiel der Startstaffel im kommenden Herbst: Eine ausgewiesene Rechtswissenschaftlerin und Parteienexpertin wie Sophie Schönberger lässt sich bei der Frage nach der Restitution von Kulturgütern politisch nicht vereinnahmen, gleiches gilt für einen hochdekorierten Soziologen wie Steffen Mau, der vor kurzem den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft erhalten hat und dessen Thesen über die Neuerfindung der Grenze im 21. Jahrhundert auf langjährige empirische Forschungsarbeiten zurückgehen. In beiden Büchern werden auch nicht bloß Position und Gegenposition referiert. Vielmehr werfen die Autor:innen ihr ganzes akademisches Gewicht in die Waagschale, um eigenständige Positionen zu entwickeln und die typischen Reflexe öffentlicher Debatten mit ihren Thesen zu unterlaufen. Das darf kontrovers und soll vor allem gut lesbar sein, aber nie vorhersehbar.

Als akademisch fundierter Publikumsverlag müssen wir beweisen, dass Aufklärung in Buchform weiter ein lohnendes Unterfangen ist.

Matthias Hansl

Gegen welche Informations- und Debattenmedien wollen sie mit der Edition antreten?
Mit einem Umfang zwischen 144 und 192 Seiten folgen die Klappenbroschuren einem Trend zur Kürze und Prägnanz, der das politische und gesellschaftliche Debattenbuch seit einiger Zeit begleitet. Ansonsten gilt: Als akademisch fundierter Publikumsverlag müssen wir beweisen, dass Aufklärung in Buchform weiter ein lohnendes Unterfangen ist, auch wenn die Aufmerksamkeitsspannen für bestimmte Themen kürzer werden. Mit der Edition Mercator setzen wir auf eine besondere Kombination aus fachlicher Kompetenz und essayistischer Zuspitzung, um den neuen Herausforderungen am Buchmarkt und unserer Verlagstradition gleichermaßen gerecht zu werden. Wir hoffen, dass die schnelllebigen Informations- oder Debattenmedien wie klassische Tages- und Wochenzeitungen, Blogs, Online-Newsletter oder Twitter von den Bänden der Edition Mercator Notiz nehmen. Wir wollen ihnen Stoff liefern – gegen sie antreten zu wollen würde hingegen von einem fehlgeleiteten Selbstverständnis zeugen.  

Welche Leserschicht wollen Sie mit den Bänden ansprechen?
Ein breites Lesepublikum, das an aktuellen politischen und gesellschaftlichen Debatten interessiert ist und Wert auf allerhöchste Qualität legt.

Wieso bot sich die Stiftung Mercator als Partner für die Buchreihe an?
Es war andersherum: Die Stiftung Mercator – eine der renommiertesten Stiftungen Deutschlands mit Blick auf die Wissenschaftsförderung – hat nach einem geeigneten Kooperationspartner für eine kleine, aber feine Buchreihe gesucht. Wir sind in einen Wettbewerb mit anderen Verlagen eingetreten und haben uns am Ende durchsetzen können. Die Zusammenarbeit mit der Stiftung ist die reinste Freude. Es macht unglaublich Spaß, mit so klugen Leuten wie Wolfgang Rohe – dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Stiftung, der vorher lange Zeit bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft und beim Wissenschaftsrat tätig war – die Köpfe über neue Buchthemen und potenzielle Autor:innen zusammenzustecken.

Sind "Verlängerungen" der Bücher geplant, beispielsweise Gesprächs- oder Podiumsformate?
Auf jeden Fall. Wir wollen und werden die Themen der Edition Mercator über Buchvorstellungen, Podiumsdiskussionen und zusätzliche Social-Media-Formate in die Öffentlichkeit tragen.