Tobias Rüthers Sendungskritik (in der Printausgabe der "FAS") basiert im Wesentlichen auf vier Einwänden:
- Seit dem Antritt von Thea Dorn im März 2020 – der dritten Auflage des Formats nach dem legendären Quartett unter Marcel Reich-Ranicki und der Fortsetzung unter Volker Weidermann – spielten Literaturkritiker so gut wie keine Rolle mehr. Stattdessen würden Autor*innen, Schauspieler*innen oder Entertainer*innen eingeladen. Prominenz trete an die Stelle von (literaturkritischer) Professionalität.
- Aus der Verlagsbranche verlaute, dass dem "Quartett" die Maßstäbe fehlten, und dass es für den Erfolg eines Buchs keine Rolle mehr spiele.
- In der Einladung des Kolumnisten Jan Fleischhauer sowie der Kabarettistin und Autorin Lisa Eckhart durch Thea Dorn sieht Rüther eine Grenze überschritten – hin zu einem Teil des Meinungsspektrums, das sich nicht klar genug von antisemitischen Anspielungen abgrenzt. Rüther führt hier ein ZItat Maxim Billers aus der "SZ" an. "Wenn Eckhart im 'Quartett' auftrete, 'hat der deutsche Jude und Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki endgültig den Kampf gegen die Nazis verloren'."
- Damit nicht genug: Rüther sieht in Thea Dorns Moderationen und Diskussionen eine lockdownkritische Agenda am Werke. Hinter den von ihr als autoritär konnotierten Anti-Corona-Maßnahmen sehe sie die schleichende Preisgabe der Grundrechte zugunsten einer Sicherheitspolitik gegen Krankheit und Tod.
Rüther schließt seinen Beitrag mit der anonymen Einschätzung eines ZDF-Mitarbeiters, derzufolge die Sendung "Positionen jenseits des vermeintlichen Meinungskorridors einer politischen Korrektheit in Sachen Corona, Gender, Identitätspolitik" abbilde.
Das literarische Quartett wird seine Relevanz aus den 1990er-Jahren nicht mehr zurückgewinnen, aber vielleicht lohnt es sich dennoch, um eine der letzten Literatursendungen zu kämpfen?
Darum die folgende Untersuchung von Herrn Rüthers Einwänden.
1. Einwand: Literaturkritiker spielen so gut wie keine Rolle mehr
Schauspieler/innen haben einen höheren Bekanntheitsgrad als Literaturexperten aus dem akademischen Umfeld oder dem Feuilleton.
Solange es sich nicht um „sprechende Six-Packs aus Daily-Soaps“ (Zitat: Harald Schmidt) handelt, ist das Abendland noch nicht verloren.
Ich finde es legitim, da es der Sendung dabei hilft, die nötige Aufmerksamkeit und Einschaltquote zu bekommen, die mit Literaturkritikern kaum erreichbar wäre.
2. Einwand: Für den Erfolg eines Buches spielt das Quartett keine Rolle mehr
Können die Verlage tatsächlich keine messbaren Effekte auf die Nachfrage feststellen? Gibt es da Zahlen, Daten, Fakten? Gäbe es ein Interesse daran, diese nachzuprüfen? Und von wem? Vom Börsenblatt vielleicht?
3. Einwand: Die „Grenzüberschreitung“ durch die Einladungen von Jan Fleischhauer und Lisa Eckardt
Für Tobias Rüther sind sein Journalisten-Kollege und die Kabarettistin offenbar „personae non gratae“, die nicht in eine Literatur-Sendung gehören.
Und durch die Einladung dieser polarisierenden Personen hat sich Thea Dorn also diskreditiert und soll daher die Moderation abgeben?
4. Einwand: Thea Dorn verfolgt in der Sendung eine lockdownkritische Agenda
Ich habe die letzte Sendung gesehen und konnte keinen der inkriminierten Agenda-Punkte entdecken, aber vielleicht konnte ich nicht zwischen den Zeilen lesen?
5. Einwand: die Sendung bildet Positionen ab, die „jenseits des vermeintlichen Meinungskorridors einer politischen Korrektheit“ sind
Ein anonymer ZDF-Mitarbeiter hat ein Problem mit Thea Dorn und meldet ihre abweichenden Meinungen zu einem „Meinungskorridor“, dessen Existenz er gleichzeitig bezweifelt.
Es scheint sich hierbei um ein klassischen Fall von Denunziation zu handeln, der von Tobias Rüther als Kritikpunkt = Fakt angebracht wird. „Was ist nur aus dem Journalismus geworden?“ könnte man hier fragen.