Thalia-CEO Michael Busch übte in einem anschließenden Hintergrundgespräch mit Vertretern der Branchenpresse deutliche Kritik an der Corona-Politik der Bundesregierung. Die Unternehmen des Einzelhandels vermissten eine durchdachte politische Strategie, die mehr in Betracht zieht als den bloßen Lockdown. Die zögerliche Haltung Berlins und der Länder mit Blick auf Wiederöffnungsoptionen stößt beim Chef des größten deutschen Buchhändlers insbesondere deshalb auf Unverständnis, "weil der Einzelhandel überhaupt kein Infektionstreiber ist", das hätten wissenschaftliche Untersuchungen unstreitig belegt.
Gedrückt habe sich die Politik auch bei der Frage einer klaren gesetzlichen Regelung der Mietfrage: Wie ist der Schaden zwischen Vermietern und Mietern fair zu verteilen? Busch kündigte an, für sein Unternehmen diese Frage im Streitfall nun auf dem Gerichtsweg klären zu lassen - "so wie viele andere Einzelhändler das auch tun werden. Da kommt eine Welle von Verfahren auf die Gerichte zu", prognostiziert der Thalia-Chef und ergänzt: "Das hat sich die Politik mit ihren unklaren Regelungen selbst zuzuschreiben."
Wie schwierig die Lage für viele Händler im Lockdown ist, zeigt eine aktuelle HDE-Umfrage unter mehr als 2.000 Händlern. Demnach sieht sich mehr als jedes zweite Unternehmen ohne weitere Hilfen in Insolvenzgefahr. "Viele Händler befinden sich einer dramatischen Situation. Ohne passgenaue staatliche Unterstützung und ohne Öffnungsperspektive werden in vielen Innenstädten in den kommenden Wochen die Lichter ausgehen“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.
Die HDE-Umfrage macht deutlich, dass sich für das laufende Jahr ohne weitere staatliche Hilfen mehr als 60 Prozent der Innenstadthändler in Insolvenzgefahr sehen. Eine Ursache dafür liegt in den nach wie vor oft zu bürokratischen und zu langsamen staatlichen Hilfen. So erhielten die vom Lockdown betroffenen Händler im vergangenen Jahr im Schnitt lediglich 11.000 Euro an Unterstützung. Drei Viertel der befragten Unternehmen stellen deshalb fest, dass die aktuellen Hilfsmaßnahmen nicht zur Existenzsicherung ausreichen. "Hilfen kommen nicht an, Regelungen sind völlig unsinnig, Ausgrenzungen waren und sind an der Tagesordnung: Die Unterstützung orientiert sich nicht an dem jeweiligen individuellen Schaden unserer Milliarden-Verluste", so Timm Homann, Chief Executive Officer bei Ernstings family.
Der Einzelhandel fordert deshalb nach wie vor Nachbesserungen bei den Hilfsprogrammen und mehr Tempo bei der Auszahlung. Wie verzweifelt die Lage für viele Einzelhändler mittlerweile ist, lässt sich auch an der hohen Klagebereitschaft ablesen. So plant mehr als ein Viertel der befragten Bekleidungshändler, gegen die Schließung des eigenen Geschäfts vor Gericht zu ziehen.