Handel fordert rasche Öffnung

Busch: "Einkaufen ist auch in Pandemiezeiten eine sichere Sache"

25. Februar 2021
Redaktion Börsenblatt

Bei einer Pressekonferenz in Berlin haben der Handelsverband Deutschland (HDE) und ihm zugehörige Unternehmen – darunter auch Thalia – eine rasche Öffnung des Einzelhandels gefordert. Sie erwarten, dass Bund und Länder dafür einen realistischen Stufenplan vorlegen.

Thalia-CEO Michael Busch übte in einem anschließenden Hintergrundgespräch mit Vertretern der Branchenpresse deutliche Kritik an der Corona-Politik der Bundesregierung. Die Unternehmen des Einzelhandels vermissten eine durchdachte politische Strategie, die mehr in Betracht zieht als den bloßen Lockdown. Die zögerliche Haltung Berlins und der Länder mit Blick auf Wiederöffnungsoptionen stößt beim Chef des größten deutschen Buchhändlers insbesondere deshalb auf Unverständnis, "weil der Einzelhandel überhaupt kein Infektionstreiber ist", das hätten wissenschaftliche Untersuchungen unstreitig belegt.

Gedrückt habe sich die Politik auch bei der Frage einer klaren gesetzlichen Regelung der Mietfrage: Wie ist der Schaden zwischen Vermietern und Mietern fair zu verteilen? Busch kündigte an, für sein Unternehmen diese Frage im Streitfall nun auf dem Gerichtsweg klären zu lassen - "so wie viele andere Einzelhändler das auch tun werden. Da kommt eine Welle von Verfahren auf die Gerichte zu", prognostiziert der Thalia-Chef und ergänzt: "Das hat sich die Politik mit ihren unklaren Regelungen selbst zuzuschreiben."

Wie schwierig die Lage für viele Händler im Lockdown ist, zeigt eine aktuelle HDE-Umfrage unter mehr als 2.000 Händlern. Demnach sieht sich mehr als jedes zweite Unternehmen ohne weitere Hilfen in Insolvenzgefahr. "Viele Händler befinden sich einer dramatischen Situation. Ohne passgenaue staatliche Unterstützung und ohne Öffnungsperspektive werden in vielen Innenstädten in den kommenden Wochen die Lichter ausgehen“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Die HDE-Umfrage macht deutlich, dass sich für das laufende Jahr ohne weitere staatliche Hilfen mehr als 60 Prozent der Innenstadthändler in Insolvenzgefahr sehen. Eine Ursache dafür liegt in den nach wie vor oft zu bürokratischen und zu langsamen staatlichen Hilfen. So erhielten die vom Lockdown betroffenen Händler im vergangenen Jahr im Schnitt lediglich 11.000 Euro an Unterstützung. Drei Viertel der befragten Unternehmen stellen deshalb fest, dass die aktuellen Hilfsmaßnahmen nicht zur Existenzsicherung ausreichen. "Hilfen kommen nicht an, Regelungen sind völlig unsinnig, Ausgrenzungen waren und sind an der Tagesordnung: Die Unterstützung orientiert sich nicht an dem jeweiligen individuellen Schaden unserer Milliarden-Verluste", so Timm Homann, Chief Executive Officer bei Ernstings family.

Der Einzelhandel fordert deshalb nach wie vor Nachbesserungen bei den Hilfsprogrammen und mehr Tempo bei der Auszahlung. Wie verzweifelt die Lage für viele Einzelhändler mittlerweile ist, lässt sich auch an der hohen Klagebereitschaft ablesen. So plant mehr als ein Viertel der befragten Bekleidungshändler, gegen die Schließung des eigenen Geschäfts vor Gericht zu ziehen.

 

Mangelnde Anerkennung für Hygienekonzepte

Ein weiterer Grund für die verbreiteten Pläne, vor Gericht zu ziehen, ist auch die Enttäuschung über die mangelnde Anerkennung der Politik für die hervorragend funktionierenden Hygienekonzepte der Branche. "Wer davon spricht, dass die Krise so groß ist wie nach dem Zweiten Weltkrieg, muss auch so handeln – das Wirtschaftswunder wurde nicht im Lockdown erarbeitet. Wir wollen an einer Öffnung teilhaben. Es muss jetzt in Lösungen gedacht werden. Einkaufen ist auch in Pandemiezeiten eine sichere Sache", so Michael Busch, Geschäftsführender Gesellschafter der Thalia Bücher GmbH.

Michael Buschs Argumente für die Öffnung des Handels im Wortlaut

Der Thalia-Chef führt eine Reihe von Argumenten an (Statement Michael Busch):

  • "Das RKI bestätigt, dass das Infektionsrisiko im Handel sehr niedrig ist und empfiehlt eine Öffnung.
  • Das ist folgerichtig. Denn, es gibt 50 Millionen Kundenkontakte im Handel jeden Tag in Deutschland. Davon entfallen 40 Millionen auf den Lebensmittelhandel. Auch dort liegt das Infektionsgeschehen deutlich unter dem Durchschnitt.
  • Vor dem Lockdown am 16. Dezember 2020 hat der Handel bewiesen, dass er Öffnung und Schutz miteinander verbindet: Es gab keinen Infektionsherd im Deutschen Handel. Keinen. In keinem Bundesland. In keinem Landkreis. In keiner Stadt.
  • Während des Lockdowns hat der Einzelhandel, mit mehr Menschenströmen als der restliche Handel, bewiesen, dass es auch dort zu keinem Infektionsherd in Deutschland kam. Keinen. In keinem Bundesland. In keinem Landkreis. In keiner Stadt.
  • Jetzt haben sich sogar die Umstände verbessert:
    - Inzwischen sind knapp 3,5 Millionen Menschen geimpft. Im Dezember war die Quote bei Null.
    - Inzwischen ist die 7-Tage-Inzidenz bei 59. Im Dezember war sie bei 197.
    - Inzwischen liegt die Belegung der Intensivbetten bei knapp über 3.000. Im Dezember stieg sie von knapp 4.000 auf weit über 5.000 an.
  • Und: Innovationen wie Schnelltests geben der Politik weitere Instrumente in die Hand.
  • Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat drei Sonderzulassungen für Selbsttests erteilt, die zuverlässige Ergebnisse bei Abstrichen im vorderen Nasenbereich liefern und somit sicher durch Laien durchgeführt werdenkönnen.
  • Wir unterstützen die Bestrebungen der Politik, das Testen und Tracen auszuweiten, ausdrücklich. Das ist die Aufgabe des Staates. Unsere Aufgabe ist, das Gesundheitsrisiko weiter so gering zu halten. Dazu gibt es ein 7-Punkte-Hygienekonzept (siehe Download unter dem Artikel), wofür wir stehen."

"Deutschland braucht eine Perspektive. Wir fordern und brauchen die Öffnung des Handels ab 8. März", schlussfolgert Busch. "Auch die Mitarbeiter" - die bei Thalia, insbesondere was die Filialen betrifft, zuletzt mehrheitlich in Kurzarbeit waren - "wollen, dass wir wieder öffnen, und zwar in ganz überwiegendem Maße."

Dass all dies verantwortbar möglich ist, zeigt auch eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und der Berufsgenossenschaft für Handel und Warenlogistik (BGHW). Demnach konnte unter den Beschäftigten der Branche kein erhöhtes Infektionsgeschehen festgestellt werden.

Zur Lage des Einzelhandels im Lockdown hat der HDE eine Präsentation erarbeitet, die sie hier abrufen können.